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Der aufgeblähte Finanzsektor in Europa

Interessant: Zur Entwicklung in Zypern befragt das Handelsblatt („NEUES WIRTSCHAFTSMODELL GESUCHT: Ökonomen fordern EU-Aufbauhilfe für Zypern“, 27.3.13) verschiedene Finanz-Experten über Ursachen und Aussichten des Landes. Zitiert wird unter anderem der Chefvolkswirt der Commerzbank, der die Sache interesssanterweise so sieht:

Dass Zypern vor wirtschaftlich schwierigen Jahren stehe liege vor allem daran, dass der Bankensektor „völlig überdimensioniert“ sei. Der Anteil dieses Sektors am Bruttoinlandsprodukt sei 1995 bei 4,9 Prozent gelegen. Heute seien das fast 9 Prozent.

Aha. Ja wie jetzt, fragt man sich da. Sollte man jetzt tatsächlich erkannt haben, dass ein Aufblähen des Finanzstandortes vielleicht doch keine Lösung für alle möglichen Probleme ist? Das wäre ja nicht zuletzt deshalb ganz gut, weil man darüber vor einigen Jahren ja auch in Deutschland drüber nachdachte. Mal ein paar Kostproben? Gerne:

So schrieb der damalige Ministerialdirektor im Bundesministerium der Finanzen, Berlin, Jörg Asmussen in dem im Jahr 2006 veröffentlichten Papier “Verbriefungen aus Sicht des Bundesfinanzministeriums (1016 / S. 10 · 19 / 2006 Kreditwesen):

„Dabei war uns stets wichtig, dass sich auch der Markt für Asset Backed Securities (ABS) in Deutschland stärker als bislang entwickelt. Für andere EU Mitgliedstaaten und für die europäischen Kapitalmärkte ist der ABS-Markt mit seiner Dynamik und Vielseitigkeit geradezu zu einem prägenden Element geworden. Allmählich scheinen aber auch in Deutschland die gemeinsamen Bemühungen der Politik und der Kreditwirtschaft die erwarteten Früchte zu tragen.“

Dass derselbe Jörg Asmussen heute Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank ist, lässt einen immer mal wieder nachdenken.

Und natürlich ließ sich Josef Ackermann von der Deutschen Bank sich zum Thema Finanzstandort auch gerne aus. In seiner Rede vom 5.7.07 beim „16. Eurobörsentag - Der Finanzplatz Deutschland im globalen Wettbewerb“ wollte er den Leuten zum Beispiel einreden:

„Von allen Branchen trägt die deutsche Finanzwirtschaft inzwischen mit am meisten zur Bruttowertschöpfung der Bundesrepublik bei. Mit 5 Prozent liegt der Beitrag unserer Branche deutlich über dem des Maschinenbaus und fast gleich auf mit Metall- und Chemie-Industrie zusammengenommen.“

Zum Thema starker Finanzstandort zitierte die Börsenzeitung („Finanzstandort auf Erholungskurs“,) am 29.6.11 den Chefvolkswirt der Allianz: Der Finanzstandort Deutschland sei ein wichtiger Wachstumsmotor. Grund: Im internationalen Vergleich habe sich Deutschland deshalb verbessert, weil andere Länder bei der Finanzdynamik zurückgefallen wären.

Tolle Logik, so schrieben wir damals: Es geht also nicht mehr um den Nutzen für alle, sondern nur noch um den Unterschied zu anderen.

Und jetzt sollen sie es also verstanden haben? Das wär’ natürlich mal was!
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