claim von gute-banken

Die FAZ, die Deutsche Bank und die „angelsächsische Kapitalmarktkultur“. Oder: Verpasste Chancen.

Bemerkenswert: Die FAZ („Fall Deutsche Bank“ im ZDF: Szenen eines Skandals“ 19.5.15) kommentiert eine ZDF-Dokumentation („Der Fall Deutsche Bank – Abstieg eines Geldhauses“) über die Probleme der Deutschen Bank. Und lässt dabei wieder eine großartige Chance aus, mal wirklich in der Tiefe nicht über die Symptome, sondern über deren Ursachen zu sprechen…

Aber fangen wir halt mal beim Anfang an: Der Kommentar resümiert die in der Dokumentation dargestellte Problematik der Zinsmanipulationen, kritisiert die „wohlfeile“ Stereotypie der „Rabiatheit“ des Finanzmarktes und das Fehlen von Fürsprechern für die Deutsche Bank in der Doku – ohne Gegenstimme sei es ja „irgendwann langweilig“.

Und dann kommt’s: Die angelsächsische Kapitalmarktkultur ist schuld…

Außerdem lasse der Bericht auch amerikanische Anwälte und Investoren zu Wort kommen, die diesen Chance allzu gern nutzen würden, weil sie die Deutsche Bank gerne verklagen würden. Und dann kommt’s mal wieder in einem Nebensatz richtig satt und präzise: Diese Anwälte und Investoren seien eben „auch Teil der angelsächsischen Kapitalmarktkultur, deren Fehlentwicklungen die Finanzkrise ausgelöst haben“. Ha! Genau so steht das in dem Artikel. Aber halt leider wieder nur in einem Nebensatz. Allerdings nicht, um mal über die Unterschiede zwischen dem angelsächsischen und dem europäischen oder gar deutschen Kapitalmarktverständnis nachzuforschen – sondern halt auch wieder nur, um den schwarzen Peter weiter zu schieben. Wohin? Natürlich: Die staatliche Bankenaufsicht ist schuld. Die hätte ja eingreifen können – hat sie aber nicht, weil „Leitplanken für die Banken so gut wie gar nicht vorhanden waren“.  Und überhaupt, so die FAZ:

Dass die Aufseher ein für Mauscheleien anfälliges Verfahren zur Festlegung von Referenzzinsen wie dem Libor lange Jahre geduldet haben, spricht Bände.

Was allerdings in diesen Bänden drin steht? Das steht nicht dabei. Und das ist wirklich schade, denn auch hier wäre wieder mal eine großartige Chance gewesen, sich einmal mit der Stereotypie der „angelsächsischen Kapitalmarktkultur“ auseinanderzusetzen. Und darüber nachzudenken, wodurch sich das angelsächsische System vom europäischen unterscheidet.

Was ist das denn eigentlich für eine Kultur?…

Naja. Das ist übrigens nicht das erste mal, dass diese Chance verpasst wurde. Wir hatten schon 2011 anlässlich eines Artikels im Handelsblatt („Hedge-Fonds suchen nach Orientierung“, 28.8.11) mal über diese immer wieder auftauchende Problematik ausgelassen („Die Hegde-Fonds, der Finanzmarkt und der freie Markt.  Oder: Worüber man wirklich mal hätte reden sollen...“). Der Artikel liest sich übrigens immer noch ganz gut und leider auch noch aktuell.

Damals hatten wir den amerikanischen /angelsächsischen Marktliberalismus mal mit der amerikanischen Utilitarismus-Philsophie verkettet – und kamen zu dem einfachen Schluss:

Der komplexe europäische Freiheitsbegriff und der einfache amerikanische Utilitarismus lassen sich nicht so einfach in einen Topf werfen und umrühren. Aber über beide lohnt es sich nachzudenken.

Und wenn man da mal über den letztgenannten nachdenkt, wird schnell klar: Die Freiheit des Finanzmarktes ist ab dem Zeitpunkt nicht mehr liberal (also freiheitlich), wo sie die grundlegenden Zwecke des amerikanischen – und letztlich auch des europäischen und chinesischen – Systems nicht mehr erfüllt: Und das ist halt das Streben nach mehr Happiness und weniger Leiden für alle.

Ja und wenn man darüber mal nachdenken würde, dann wüsste man: In der angelsäschsischen Kapitalmarktkultur muss immer erst etwas passieren, ehe reguliert wird. Darüber zu sprechen wäre allerdings ein Nachdenken über die Ursachen und nicht mehr über die Symptome.

… und was könnte das für die Deutsche Bank bedeuten?

Eventuell hätte man dann auch mal die Frage stellen können: Welchem System folgt(e) die Deutsche Bank eigentlich – und welchem sollte sie als international aufgestellte Bank mit nationaler Verwurzelung folgen? Sollte sie diesseits der Grenzen „deutsch“ denken und jenseits der Grenzen dann „angelsächsisch“? Schwer vorzustellen irgendwie. Und das ist wohl tatsächlich das Problem der größten international aufgestellten Bank Deutschlands. Sie steht zwischen den Systemen und weiß nicht wohin…

Fazit: Nichts Neues unter der Sonne

Ach, irgendwie beisst sich die Katze aber in solchen Artikeln in den großen Medien halt immer wieder selbst in den Schwanz. Man sucht Schuldige, baut Lager auf (in der FAZ dann eben die Triade aus "viel oder wenig Wettbewerb", "viel oder weniger Regulierung" (die eigentlich immer schuld ist) und den armen Marktplayern wie eben hier der armen Deutschen Bank…),  macht erst ein paar Schuldzuweisungen – und dann so weiter wie bisher.

Und jedes Mal lässt man die Chance zum Nachdenken aus. Zum Beispiel auch über die Frage, welche Banken es denn noch richtig machen – und zwar sowohl gemessen an der angelsächsischen als auch an der europäischen Markt-Philosophie. Da wüssten wir schon eine Antwort… Aber so etwas findet nicht statt.

Irgendwie schon schade oder?

 

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