Sighard Neckel: „Mit solchen Ergebnissen könnte die Deutsche Bank auch eine Sparkasse sein…“
Schöner Artikel in der ZEIT 29.6,15): Unter dem Titel „Das System im freien Fall“ resümiert Sighard Neckel, Mitglied des Kollegiums am Institut für Sozialforschung und Professor für Soziologie der sozialen Ungleichheit an der Goethe-Universität Frankfurt den Fall Deutsche Bank…
Mit Professor Neckel hatten wir uns übrigens schon im Jahr 2011 gesprochen. Schon damals vertrat er die Positionen, die sich nun bestätigen.
Seine Kritik am System ist sicherlich berechtigt: „Lag der Hochfinanz früherer Zeiten daran, Unternehmensbeteiligungen zum Vorteil für sich und ihresgleichen zu nutzen, so stellen die heutigen Spielführer auf den Finanzmärkten darauf ab, im einträchtigen Derivatehandel unter sich die Gewinne und unter Dritten die Risiken zu verteilen.“
Leistung und Ergebnis der Deutschen Bank
Das Resümé der konkreten Leistung der Deutschen Bank fällt kritisch – aber auch amüsant – aus:
In den Jahren seit 2012 schwanke Gesamtrendite der Deutschen Bank zwischen 0,5 und 1,2 Prozent – „was eher dem klassischen Zinssatz eines Sparbuches entspricht“.
Und dann kommt’s: Für ein solches Ergebnis könne man ja auch „eine Sparkasse sein“ und müsste sich nicht von den 14 Millionen Kunden trennen, die ein Konto bei der Postbank besitzen.
Dasselbe gilt für den Kulturwandel des größten international aufgestellten deutschen Geldhauses:
Als eine Bank der Nachhaltigkeit werd man sich die Deutsche Bank wohl erst dann vorstellen können, wenn der beschworene "Kulturwandel" nicht Imageschäden beheben soll, sondern wirklich "gesellschaftliche Probleme und ökologische Not."
Gesellschaftliche Probleme
Bemerkenswert an diesem Artikel ist allerdings die Betrachtung des Systems Deutsche Bank als Teilsystem der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung.
Bei den Entwicklungen der Finanzmärkte spiele schlussendlich auch die (deutsche) Politik eine Rolle, die mit ihrem Glauben an die Märkte vieles erst ermöglicht habe: Durch einen aufblühenden Finanzhandel hätte man sich versprochen, dass „reichlich Geld in den Staatsetat fließen würde und mancher Notgroschen in die Sozialkassen der Republik.“ (Über die Hintergründe dieser Entwicklung haben wir immer wieder einmal berichtet.) Aus diesem schönen Traum habe es aber ein jähes Erwachen gegeben, und „der Neoliberalismus wurde zum Albtraum der internationalen Sozialdemokratie.“
Vor diesem Hintergrund ist seine Quintessenz, dass die Politik das System mit einem klaren Ziel deutlich stärker eingrenzen müsse:
„Banken zu leiten könnte dann wieder eine eher langweilige Beschäftigung sein, und der Wechsel von Finanzvorständen wäre eine kurze Nachricht im Wirtschaftsteil wert. Wer würde nicht gern auf die letzten Schlagzeilen der Deutschen Bank verzichten?“
Fazit:
Nachdem Professor Neckel das schwache Geschäftsergebnis nun freundlicherweise mit dem einer regionalen Sparkasse vergleicht, zitieren wir gerne noch die letzte Frage aus dem Interview, das wir im April 2011 mit ihm geführt hatten: Damals stellten wir ihm am Ende die Frage:
Ist regionale Verantwortung womöglich eine „ruhige Leidenschaft“ und ein gesundes „Gegenmittel“ gegen die Ansteckung mit der Gier als „gehetzte“ Handlungsstruktur des Kapitalmarktes?
Auf diese Frage antwortete Professor Neckel damals:
„Ja, da kann ich mich anschließen. Überall dort, wo sinnvolle wirtschaftliche Ziele gesetzt werden, begrenzt man die reine Gier, weil die Finanzwirtschaft dann nicht reiner Selbstzweck der Kapitalvermehrung ist. Verantwortung für eine Region kann helfen, Banken solche sinnvollen wirtschaftlichen Ziele zu setzen.“
Diese Worte haben für uns seit damals nicht an Bedeutung verloren, sondern gewonnen. Und deshalb sprechen wir uns gerne für diejenigen Banken aus, deren primäres Ziel nicht die Profitmaximierung ist, sondern eben: Der Gesellschaft und dem Gemeinwohl zu dienen. Solange diese Art von Banken mehrheitlich nur unter den Sparkassen und Genossenschaftsbanken zu finden ist, werden wir uns auch weiter für sie aussprechen…
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