claim von gute-banken

„Die Vorstellung von effizienten Märkten ist empirisch nicht haltbar.“

Dr. Gerhard Schick ist finanzpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und Mitglied des Bundestags seit 2005.  Seine intensive Beschäftigung mit der Steuerung und Veränderung des Finanzmarkts war für uns Grund genug, ihm acht Fragen zum Finanzmarkt aus politischer Sicht zu stellen...

 

1.  Herr Dr. Schick, was war aus Ihrer Sicht die Kernursache der Finanzkrise?

Die Deregulierungspolitik der letzten Jahrzehnte hat einen Anstieg der Verschuldung von Privathaushalten, Unternehmen (insbesondere Banken) und Staaten im Verhältnis zur realen Wirtschaftsleistung ermöglicht. Diese Entwicklung war natürlich nicht nachhaltig, so dass es in Form von Kurseinbrüchen und (Beinahe-)Pleiten zu einer Korrektur kommen musste.

 

2.  Im Grünbuch Schattenbankwesen vom 19.3.12 berichtet die Europäische Kommission, dass das vom Financial Stability Board „grob geschätzte Volumen“ des globalen Schattenbanksystems bei etwa 46 Billionen EUR liegt. Seit 2002 habe sich diese Zahl mehr als verdoppelt. Sie entspreche jetzt 25-30 % des gesamten Finanzsystems und der Hälfte aller Bankaktiva. Das könnte man ja einfach mal so interpretieren, dass „die Märkte“ sich hier zunehmend von ihrer dienenden Funktion abkoppeln, weil sie damit ungestört mehr Profit machen können. Wäre diese einfache Interpretation falsch?

Ich halte diese Interpretation nicht für falsch. Risiken in großem Ausmaß wurden in den weniger regulierten Teil des Finanzmarkts, das Schattenbankensystem, ausgelagert. Notwendig ist es, Risiken in gleicher Weise zu regulieren unabhängig davon, ob sie auf der Bilanz einer Bank, einer Versicherung, eines Hedgefonds oder eines Geldmarktfonds liegen.

 

3.  Im selben Grünbuch schreibt die Kommission, dass Schattenbankgeschäfte ja eine nützliche Rolle im Finanzsystem spielen könnten, da sie den Anlegern „Alternativen zu Bankeinlagen bieten“ und aufgrund ihrer verstärkten Spezialisierung „Mittel und Mittelbedarf wirkungsvoller zusammenführen“, „für die Realwirtschaft eine alternative Finanzierungsquelle darstellen, was vor allem bei einer vorübergehenden Störung des traditionellen Bankenwesen oder der traditionellen Vermarktungskanäle von Nutzen“ sei und schließlich auch noch eine „Möglichkeit zur Risikodiversifizierung außerhalb des Bankensystems“ böten. Mal im Ernst: Sitzen in der Kommission nur noch Bänker oder Menschen, die wie Bänker denken? Oder warum kommt einem hier das Mantra der Großbanken entgegen, dass strukturierte Produkte, Zertifikate und andere Wetten für „die Märkte“ wichtig wären, weil sie doch “für Liquidität sorgen“ und die „Preisfindung vereinfachen“?

Die Deregulierungspolitik der letzten Jahrzehnte baute auf einer Vorstellung effizienter Finanzmärkte auf, die empirisch nicht haltbar ist. Danach sind zusätzliche Finanzprodukte oder zusätzliche Möglichkeiten zur Risikostreuung immer effizienzsteigernd. Es zeigt sich aber, dass vielfach das Systemrisiko genau durch die Instrumente zunahm, die einzelnen Instituten als risikomindernd verkauft wurden. Die Finanzmärkte müssen nun wieder kleiner werden und ihre Komplexität reduziert werden. Ganz zentral ist, das Haftungsprinzip wieder in Kraft zu setzen, das derzeit insbesondere bei Großbanken nicht wirkt, weil sie immer damit rechnen können, vom Staat aufgefangen zu werden. Das verschafft ihnen Vorteile in Milliardenhöhe.

 

4.  Sie bemängeln schon seit Jahren, dass es für intransparente Zweckgesellschaften und Schattenbankgeschäften, mit denen Großbanken ihre Bilanzen schönen, keine gesetzlich vorgeschriebenen harten Eigenkapitalregeln gebe. Stellen Sie hier eine Veränderung fest?

Das Thema Schattenbanken wird inzwischen intensiver diskutiert, eine wirkliche Regulierung dieser Sektors ist bisher aber nicht gelungen. Das Thema hängt auch eng zusammen mit der Frage der Steuer- und Regulierungsoasen. Denn dort sitzen viele der intransparenten Fonds. Und da tut sich leider wenig. In den USA können im Bundesstaat Delaware immer noch anonym Unternehmen gegründet werden, bei denen niemand weiß, wer dahinter steckt. Verflechtungen und Ansteckungsgefahren werden so verdeckt.

 

5.  Kürzlich bemerkte der neue Co-Vorstand der Deutschen Bank lakonisch, das Themen wie Umweltschutz und Nachhaltigkeit für die Bank halt deshalb einen hohen Stellenwert haben müssten, weil man „in der Gesellschaft“ nicht akzeptiert werde, wenn man diese Felder nicht „besetze“. Die Ausrichtung auf den Shareholder Value sei für ihn aber „nicht verhandelbar“. Kann eine Bank, bei der Teilhaber und zu bedienende Märkte keine Anbindung mehr haben, noch ihre dienende Funktion erfüllen?

Solange die Nachhaltigkeitsfrage in der Kommunikationsabteilung angesiedelt ist, bringt das wenig bis gar nichts. Die Frage der ökologischen Bilanz von Geschäften muss im Kerngeschäft ankommen. Und da stellt sich dann ganz konkret die Frage, ob man Geschäfte aus ökologischer Verantwortung ablehnt, obwohl sie Gewinn bringen würden. Unsere Aufgabe in der Politik ist es sicherzustellen, dass die Preise die ökologische Wahrheit sagen. Und wir müssen die Finanzmärkte genau wieder auf ihre dienende Rolle für die Realwirtschaft zurückführen.

 

6.  Einfach gefragt: Brauchen wir und andere Länder den Finanzmarkt wirklich „als Lokomotive“ oder genügt uns eine dienende Funktion für die Organisation der Kreditvergabe?

In den Ländern, die unterentwickelte Finanzmärkte haben, ist das ein Entwicklungshemmnis, weil viele mögliche Investitionen mangels Finanzierungspotential scheitern. Aber in den westlichen Staaten ist der Finanzsektor zu groß geworden, er bremst die wirtschaftliche Entwicklung und hat uns in eine große Wirtschafts- und Finanzkrise geführt.

 

7.   Die Finanzmarkttransaktionssteuer wir zurzeit heiß diskutiert.  Mancher stellt sich die Frage: Wenn Finanzmarkttransaktionen besteuert werden, könnte der Staat auch wieder ein Interesse daran, dass am Finanzmarkt möglichst viele steuerbare Geschäfte gemacht werden. Wie sehen Sie das?

Dieses Problem ist mehr ein theoretisches. Auch bei anderen Verbrauchsteuern ist es ja nicht so, dass der Staat extra den Konsum von Zigaretten fördert, nur um die Steuer zu kassieren.

 

8.  Und zum Abschluss noch eine Frage in eigener Sache: Die großen Medien sprechen gerne über „die Banken“ – meinen aber mehrheitlich die börsennotierten Großbanken. Als kleines Gegengewicht betreiben wir von Mannheim aus die Bankenbewertungsplattform www.gute-banken.de - und sprechen uns dort explizit für Sparkassen und Genossenschaftsbanken in Deutschland aus. Sie sind selbst Genosse u.a. bei der GLS Gemeinschaftsbank Bank. Also: Wie finden Sie das?

Es ist sehr wichtig, wieder stärker ins Bewußtsein zu rufen, dass es enorme Unterschiede gibt innerhalb der Bankenbranche. Ich bin ein Fan des Genossenschaftsgedankens. Eine Volksbank Sandhofen und eine Deutsche Bank unterscheiden sich nicht nur in der Größe, sondern auch im Geschäftsmodell und in der Gesellschaftsform. Ich begrüße jede Initiative, die auf diese Unterschiede hinweist und dazu beiträgt, dass die Menschen in Deutschland anhand transparenter Kriterien und unabhängiger Informationen auswählen können, wem sie ihr Geld anvertrauen.

 

Herr Dr. Schick, wir danken Ihnen für das Gespräch!

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