Nackt und leer – Schäubles Initiative gegen ungedeckte Leerverkäufe
Kann man etwas verkaufen, das man gar nicht besitzt? In der normalen Welt geht das natürlich nicht. In der Welt des Kapitals ist das völlig normal. Da nennt man das Leerverkauf oder Short Selling. Mit seinem Gesetzentwurf will Finanzminister Schäuble diesem Widerspruch jetzt scheinbar einen Riegel vorschieben. Tut er das wirklich?
Um es kurz zu erklären: Der Begriff Leerverkauf (short selling) bezeichnet den Vorgang, dass ich als Teilnehmer am Aktienmarkt einen Wert verkaufe, den ich nicht besitze. Der Grund für diese nach den Regeln des gesunden Menschenverstands absurd erscheinende Aktivität: Ich gehe davon aus, dass der Kurs der Aktie sinken wird. Wenn ich sie also heute für 1 Euro verkaufe und sie morgen bei 50 Cent liegen wird, kann ich sie dann wieder kaufen und so meine Schuld geradestellen. Darauf spekuliere ich. Es dürfte sich herum gesprochen haben: Spekulation ist einer der wesentlichen Treiber des Finanzmarktes. Eine im Kapitalmarkt völlig übliche Praxis, an der sich bis heute keiner störte. Niemand prangerte dieses Verfahren an. Warum nicht? Dafür kann es zwei Gründe geben: Entweder hatte sich niemand die Mühe gemacht, sich mit dem Verhalten des Finanzmarkts zu beschäftigen. Oder alle waren der inneren Logik einfach gefolgt.
In der Meldung des Bundesfinanzministeriums vom 3.3.2010 liest man nun:
Wie immer erscheint es hilfreich, ein wenig tiefer zu graben:
Was sind Leerverkäufe?
Es gibt genau genommen zwei Arten von Leerverkäufen:
Bei der ersten verkaufe ich etwas, das ich schlicht nicht besitze. Das nennt man auch naked short selling. Ich bin zwar nackt und habe nichts in der Tasche. Aber ich verkaufe es trotzdem. Ich werde das immer dann tun, wenn ich davon ausgehe, dass der Kurs des Wertes, den ich verkaufe, sinken wird. Ist das anständig und erlaubt? Die Antwort muss wohl lauten: Bisher war es in Europa zumindest nicht verboten.
Bei der zweiten Variante leihe ich mir die Aktien, die ich verkaufe, bei einem Wertpapiermakler, die Aktien, die ich verkaufen will. Das können nun Aktien von einem Wert sein, den ich ohnehin besitze und den ich durch dieser Verfahren absichern will. Oder sonst irgendwelche Werte, von denen ich einfach ausgehe, dass sie sinken werden. Ich verkaufe also etwas, das ich geliehen habe. Das ist zwar seltsam, aber für den Verleiher ist das kein Problem. Er kriegt ja Geld für die „Miete“. Und ganz offenbar besitzt er die Aktie, die er verleiht gar nicht. Denn sonst müsste er ja auch auf einen möglichen Kurssturz reagieren und sie selbst möglichst schnell verkaufen anstatt sie zu verleihen. Aber das macht auch nichts. Denn es geht ja gar nicht um den Wert, der hinter der Aktie oder der Staatsanleihe steht, sondern eben nur um die Spekulation auf ihren Börsenkurs. Reines Gambling. Und keiner hat etwas dagegen.
Wie die Deutsche Bank das sieht
Die Deutsche Bank Research erklärt in Ihrem Research Briefing vom 1. April 2010 (ja!), wie wunderbar das alles ist, auch wenn es dem normalen Menschen unlogisch erscheint:
Das ist natürlich ein gewichtiger und wichtiger Hinweis. Leerverkäufe ermöglichen Transaktionen, die ansonsten nicht zustande kämen. Wir lernen also, dass es im Finanzmarkt eine einfache Regel gibt: Je mehr Transaktionen, desto besser. Das liegt nun einfach daran, dass ja die Großbanken von jeder Transaktion durch Provisionen profitieren. Die Frage, wem das sonst hilft, wird nicht gestellt. Eben auch nicht vom Finanzministerium:
Was genau will Schäuble verbieten?
Werfen wir noch einmal einen Blick auf die Ankündigung des Finanzministeriums: Schäuble will nicht Leerverkäufe verbieten. Sondern eben nur ungedeckte Leerverkäufe. Warum eigentlich? Die Antwort liegt wohl nahe: Das Finanzministerium schließt sich der abstrakten Logik des Finanzmarktes – dass man etwas verkaufen kann, woran man gar keine Eigentumsrechte besitzt – im Grunde an. Der Verdacht liegt nahe, dass er den Argumenten der Finanz-Lobby folgt. Schäuble hat nichts gegen Spekulation. Nun, da das Thema so sehr in den Blick der Medien zu geraten droht, muss er schnell eingreifen und moderieren.
Hier ist noch ein Auszug aus dem genannten Papier der Deutschen Bank vom 1. April 2010:
Die Deutsche Bank spricht hier bei genauerer Betrachtung mit einer bemerkenswert gespaltenen Zunge: Als international aufgestelltes und global operierendes Unternehmen sorgt sie sich hier um die eigene Wettbewerbsfähigkeit – deshalb hätte sie es gern einheitlich - und warnt die Politik gleichzeitig mit erhobenem Zeigefinger: Wenn Ihr keine einheitliche Regelungen für die globalen Markt findet, werden wir nicht mehr für Stabilität sorgen (können). Ein seltsames Argument insofern, als es ja gerade die Großbanken und Hedgefonds sind und waren, die gerade durch Leerverkäufe von Staatsanleihen und sogenannten Credit Defaults Swaps für Instabilität im großen Stil sorgen. (Zu diesem Thema ein ander mal mehr).
Das System und die Mechanik des Finanzmarktes wird nicht wirklich angegriffen. Es geht auch bei dieser Gesetzesvorlage nur darum, den Markt vor dem Markt zu schützen – und ihn gleichzeitig gewähren zu lassen. Damit dient das Finanzministerium nicht den Bürgern, sondern nur denjenigen, die im großen Stil spekulieren. Noch einmal ein Auszug aus dem Papier der Deutschen Bank:
Angesichts der Komplexität der Transaktionen und des Risikoprofils von Leerpositionen werden Leerverkäufe nahezu ausschließlich von professionellen Marktteilnehmern – institutionellen Anlegern, Investmentbanken und sonstigen erfahrenen Wertpapierhändlern – durchgeführt. Auch wenn harte Evidenz auf der Basis von Marktdaten rar ist, liegt daher die Vermutung nahe, dass Privatanleger in der Regel nicht direkt in solche Transaktionen involviert sind und nur in sehr begrenztem Umfang Zugang zu solchen Marktpraktiken haben.
Fazit:
Das System bleibt also bestehen. Obwohl es eigentlich auch eine einfache Gegenlogik gäbe: Wenn niemand mehr auf sinkende Kurse spekulieren könnte, wären erdrutschartige Kursstürze weniger häufig.
Bleibt die Frage: Was kann man als Bankkunde tun, um dies alles wenigstens nicht direkt zu befördern? Da gibt’s nur eines:
o Fragen Sie Ihre Bank, ob sie selbst das Instrument der Leerverkäufe nutzt.
o Fragen Sie, wie hoch der Anteil der von Ihrer Bank verwalteten Geldanlagen im Finanzmarkt und wie viel in Form vom regionalen Krediten angelegt ist.
o Wenn Ihr Banker sich für Leerverkäufe ausspricht: Fragen Sie ihn, ob Sie einen Kredit auf ein Haus aufnehmen könnten, das Sie gar nicht besitzen.
Wenn Ihr Banker Ihnen hier eine Antwort geben kann, die Sie befriedigt, bleiben Sie bei Ihrem Geldinstitut.
Um es kurz zu erklären: Der Begriff Leerverkauf (short selling) bezeichnet den Vorgang, dass ich als Teilnehmer am Aktienmarkt einen Wert verkaufe, den ich nicht besitze. Der Grund für diese nach den Regeln des gesunden Menschenverstands absurd erscheinende Aktivität: Ich gehe davon aus, dass der Kurs der Aktie sinken wird. Wenn ich sie also heute für 1 Euro verkaufe und sie morgen bei 50 Cent liegen wird, kann ich sie dann wieder kaufen und so meine Schuld geradestellen. Darauf spekuliere ich. Es dürfte sich herum gesprochen haben: Spekulation ist einer der wesentlichen Treiber des Finanzmarktes. Eine im Kapitalmarkt völlig übliche Praxis, an der sich bis heute keiner störte. Niemand prangerte dieses Verfahren an. Warum nicht? Dafür kann es zwei Gründe geben: Entweder hatte sich niemand die Mühe gemacht, sich mit dem Verhalten des Finanzmarkts zu beschäftigen. Oder alle waren der inneren Logik einfach gefolgt.
In der Meldung des Bundesfinanzministeriums vom 3.3.2010 liest man nun:
Um den mit Leerverkäufen verbundenen Risiken für die Stabilität und Integrität des Finanzmarktes effektiver entgegen zu wirken, werden ungedeckte Leerkäufe künftig gesetzlich untersagt.
Wie immer erscheint es hilfreich, ein wenig tiefer zu graben:
Was sind Leerverkäufe?
Es gibt genau genommen zwei Arten von Leerverkäufen:
Bei der ersten verkaufe ich etwas, das ich schlicht nicht besitze. Das nennt man auch naked short selling. Ich bin zwar nackt und habe nichts in der Tasche. Aber ich verkaufe es trotzdem. Ich werde das immer dann tun, wenn ich davon ausgehe, dass der Kurs des Wertes, den ich verkaufe, sinken wird. Ist das anständig und erlaubt? Die Antwort muss wohl lauten: Bisher war es in Europa zumindest nicht verboten.
Bei der zweiten Variante leihe ich mir die Aktien, die ich verkaufe, bei einem Wertpapiermakler, die Aktien, die ich verkaufen will. Das können nun Aktien von einem Wert sein, den ich ohnehin besitze und den ich durch dieser Verfahren absichern will. Oder sonst irgendwelche Werte, von denen ich einfach ausgehe, dass sie sinken werden. Ich verkaufe also etwas, das ich geliehen habe. Das ist zwar seltsam, aber für den Verleiher ist das kein Problem. Er kriegt ja Geld für die „Miete“. Und ganz offenbar besitzt er die Aktie, die er verleiht gar nicht. Denn sonst müsste er ja auch auf einen möglichen Kurssturz reagieren und sie selbst möglichst schnell verkaufen anstatt sie zu verleihen. Aber das macht auch nichts. Denn es geht ja gar nicht um den Wert, der hinter der Aktie oder der Staatsanleihe steht, sondern eben nur um die Spekulation auf ihren Börsenkurs. Reines Gambling. Und keiner hat etwas dagegen.
Wie die Deutsche Bank das sieht
Die Deutsche Bank Research erklärt in Ihrem Research Briefing vom 1. April 2010 (ja!), wie wunderbar das alles ist, auch wenn es dem normalen Menschen unlogisch erscheint:
Leerverkäufer tragen zur Liquidität der Märkte und damit zu ihrem effizienten Funktionieren bei. Als Kontrahenten von Marktteilnehmern, die einen Vermögenswert kaufen wollen – wobei es nicht darauf ankommt, ob der Verkäufer Eigentümer des Vermögenswerts ist oder nicht –, ermöglichen sie Transaktionen, die ansonsten nicht zustande kämen.
Das ist natürlich ein gewichtiger und wichtiger Hinweis. Leerverkäufe ermöglichen Transaktionen, die ansonsten nicht zustande kämen. Wir lernen also, dass es im Finanzmarkt eine einfache Regel gibt: Je mehr Transaktionen, desto besser. Das liegt nun einfach daran, dass ja die Großbanken von jeder Transaktion durch Provisionen profitieren. Die Frage, wem das sonst hilft, wird nicht gestellt. Eben auch nicht vom Finanzministerium:
Was genau will Schäuble verbieten?
Werfen wir noch einmal einen Blick auf die Ankündigung des Finanzministeriums: Schäuble will nicht Leerverkäufe verbieten. Sondern eben nur ungedeckte Leerverkäufe. Warum eigentlich? Die Antwort liegt wohl nahe: Das Finanzministerium schließt sich der abstrakten Logik des Finanzmarktes – dass man etwas verkaufen kann, woran man gar keine Eigentumsrechte besitzt – im Grunde an. Der Verdacht liegt nahe, dass er den Argumenten der Finanz-Lobby folgt. Schäuble hat nichts gegen Spekulation. Nun, da das Thema so sehr in den Blick der Medien zu geraten droht, muss er schnell eingreifen und moderieren.
Hier ist noch ein Auszug aus dem genannten Papier der Deutschen Bank vom 1. April 2010:
Die USA und die EU sollten ihr Bestes tun, um ein vergleichbares regulatorisches Rahmenwerk für Leerverkäufe zu schaffen. Alles andere führt zu Wettbewerbsverzerrungen und schwächt die Wirksamkeit einer stabilitätsorientierten aufsichtsrechtlichen Politik.
Die Deutsche Bank spricht hier bei genauerer Betrachtung mit einer bemerkenswert gespaltenen Zunge: Als international aufgestelltes und global operierendes Unternehmen sorgt sie sich hier um die eigene Wettbewerbsfähigkeit – deshalb hätte sie es gern einheitlich - und warnt die Politik gleichzeitig mit erhobenem Zeigefinger: Wenn Ihr keine einheitliche Regelungen für die globalen Markt findet, werden wir nicht mehr für Stabilität sorgen (können). Ein seltsames Argument insofern, als es ja gerade die Großbanken und Hedgefonds sind und waren, die gerade durch Leerverkäufe von Staatsanleihen und sogenannten Credit Defaults Swaps für Instabilität im großen Stil sorgen. (Zu diesem Thema ein ander mal mehr).
Das System und die Mechanik des Finanzmarktes wird nicht wirklich angegriffen. Es geht auch bei dieser Gesetzesvorlage nur darum, den Markt vor dem Markt zu schützen – und ihn gleichzeitig gewähren zu lassen. Damit dient das Finanzministerium nicht den Bürgern, sondern nur denjenigen, die im großen Stil spekulieren. Noch einmal ein Auszug aus dem Papier der Deutschen Bank:
Angesichts der Komplexität der Transaktionen und des Risikoprofils von Leerpositionen werden Leerverkäufe nahezu ausschließlich von professionellen Marktteilnehmern – institutionellen Anlegern, Investmentbanken und sonstigen erfahrenen Wertpapierhändlern – durchgeführt. Auch wenn harte Evidenz auf der Basis von Marktdaten rar ist, liegt daher die Vermutung nahe, dass Privatanleger in der Regel nicht direkt in solche Transaktionen involviert sind und nur in sehr begrenztem Umfang Zugang zu solchen Marktpraktiken haben.
Fazit:
Das System bleibt also bestehen. Obwohl es eigentlich auch eine einfache Gegenlogik gäbe: Wenn niemand mehr auf sinkende Kurse spekulieren könnte, wären erdrutschartige Kursstürze weniger häufig.
Bleibt die Frage: Was kann man als Bankkunde tun, um dies alles wenigstens nicht direkt zu befördern? Da gibt’s nur eines:
o Fragen Sie Ihre Bank, ob sie selbst das Instrument der Leerverkäufe nutzt.
o Fragen Sie, wie hoch der Anteil der von Ihrer Bank verwalteten Geldanlagen im Finanzmarkt und wie viel in Form vom regionalen Krediten angelegt ist.
o Wenn Ihr Banker sich für Leerverkäufe ausspricht: Fragen Sie ihn, ob Sie einen Kredit auf ein Haus aufnehmen könnten, das Sie gar nicht besitzen.
Wenn Ihr Banker Ihnen hier eine Antwort geben kann, die Sie befriedigt, bleiben Sie bei Ihrem Geldinstitut.
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