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Die neue Verbraucherkreditrichtlinie oder die legalisierte Unverantwortung der Banken

Die neue Verbraucherkreditrichtlinie tritt heute den 11.06.2010 in Kraft.  Sie geht unter anderem auch den Schaufensterkonditionen an den Kragen. Mit diesen in den letzten Jahren allzu üblichen Schaufensterkonditionen, machten sich ja gerade die Geldblättchen gerne zu Experten für Kundenorientierung – Wohltätern, die den Menschen zu guten Zinskonditionen verhalfen. Aber eines nach dem anderen...

Die Richtline bringt im Wesentlichen mehr Transparenz in die Kosten eines Kredits  und schränkt die Möglichkeiten von Schaufensterkonditionen und Lockangeboten ein:  Angepriesene Konditionen müssen jetzt wenigstens für mindestens 2 Drittel der Kunden gelten! Das ist ein guter Schritt in die richtige Richtung – auch wenn die Diskussion um die Verbraucherkredite schon vor ca. 6 Jahren in Brüssel mit dem Ziel gestartet wurde, die Verbraucherrechte in den Finanzfragen zu stärken. Hat halt gedauert. Hintergrund ist und war für die Europäer interessanterweise auch die steigende Überschuldungsquote in den europäischen Ländern. Also um es mal einfach zu sagen: Immer mehr Menschen wurden mit immer mehr „Super-Konditionen“ zu Käufen veranlasst, die sie sich eigentlich nicht leisten konnten

Wie immer lohnt es sich, ein wenig tiefer zu graben...

Wettbewerb der Banken über fadenscheinige Hitlisten und Zinstableaus

Jahrelang haben vor allem die Großbanken und Direktbanken ohne Probleme mit Schaufensterkonditionen gelebt.  Es wurden eifrig Hitlisten und Zinstableaus erstellt und in die Geldpresse nach dem Motto „wer bezahlt, ist drin“ platziert.  Ganz oben stehen hier Direktbanken, Großbanken und Vermittler. Sogar Finanztest räumt ein, dass die Konditionen  der Hitlisten nur von 0,01% der Kunden zu bekommen wären.

Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner  bringt es in einer Pressemitteilung des Ministeriums „Ab sofort mehr Schutz bei Verbraucherkredite“ am 10.06.2010 auf den Punkt:

"Lockvogelangebote, die mit besonders niedrigen Zinsen werben, die aber in der Realität kaum ein Verbraucher erhält, sind künftig verboten".

Ein schwacher Trost für all diejenigen, die sich immer wieder haben einlullen lassen von den Versprechungen. Wer Umsatz und Geld auf Teufel komm raus machen will, wird auch auf Teufel komm raus verkaufen. So einfach ist das.

Allerdings muss man schon sagen, dass nicht alle sich an diesem Kampf um Schwachwerdende Kunden beteiligten. Viele Sparkassen und Volksbanken haben daher grundsätzlich diese Spiele mit den Schaufensterkonditionen und Lockangebote abgelehnt.  Das lag, so wollen wir annehmen, nicht nur daran, dass sie den mörderischen Preisnachlass im Interesse ihrer eigenen Existenz nicht mitmachen wollten oder konnten. Von irgendetwas muss man ja auch seine Mitarbeiter bezahlen. Vielleicht liegt es aber wirklich an einer sehr grundlegend anderen Denkart, die Großbanken von den meisten Volksbanken und Sparkassen unterscheidet.

Der Mythos des mündigen, aufgeklärten und selbständigen Bankkunden

Man muss schon zweimal um die Ecke denken, um das Prinzip zu verstehen: Banken gehen zunächst immer von einer verantwortungsbewussten Kreditaufnahme seitens der Kunden aus. Das ist im Grunde auch in Ordnung. Dieser selbständige Kunde soll in der Lage sein, seine Finanzen im Blick zu haben und sicher sein, dass er seine Kredite bedienen kann.  Aber ist die Bank dadurch von ihrer Verantwortung für den Kunden entbunden? Eine unserer Leserinnen schrieb kürzlich sinngemäß: Wie soll ich die Kompetenz meines Bankers beurteilen? Ich bin doch selbst nicht kompetent, deshalb gehe ich da hin. Wo sie recht hat, hat sie im Grunde recht. Müssen wir alle wie Banker denken können, um uns zu schützen? Sicherlich nicht. Aber wir sollten uns auf das, was uns gesagt wird, verlassen können.

Die neue Richtline soll genau dazu beitragen. Der Verband der Öffentlichen Banken kommentiert die neue Richtlinie am 14.01.2010 so:

Ihm liegt das Leitbild eines verantwortungsbewussten und selbstständig handelnden Verbrauchers zugrunde. Dieser soll in Zukunft besser als bisher unterschiedliche Angebote miteinander vergleichen, das heißt anhand aussagekräftiger Informationen selbst die Vor- und Nachteile eines Vertragsschlusses abwägen können.

Schwierig, schwierig. Können und wollen wir bei all der Reizüberflutung und all den super Angeboten eigentlich noch vernünftig sein – und zum Beispiel scheinbar wohlwollende Angebote für Verbraucherkredite einfach ablehnen? Die Antwort lautet wohl: Wir werden es wohl müssen! Denn bis die Bankenwelt und die ganze Welt wieder zur Vernunft kommt, wird es wohl noch eine Weile dauern.

4 Mio. Haushalte in Deutschland sind überschuldet

Laut dem Schuldenreport 2009 sind mehr als 10% der deutschen Haushalte überschuldet, dass heißt konkret, sie können ihre Rechnungen und Kreditraten nicht mehr zahlen (Der Schuldenreport wird von Arbeiterwohlfahrt, Caritas, Diakonie, Paritätischem Wohlfahrtsverband, Rotem Kreuz und dem Bundesverband der Verbraucherzentralen vorgelegt).  Die Zahl derer, die noch nicht in der Überschuldungsfalle, aber gerade am Limit sind,  dürfte noch  viel höher sein.  Die Banken spielen wohl eine wesentliche Rolle:  Circa 60% der offenen Verbindlichkeiten (also der Schulden) haben die Form von Ratenkrediten. Die Schuldfrage ist mühsam, aber der Schuldenreport 2009 bemerkt,

dass sich zahlreiche deutsche Banken offenbar noch immer nicht zu schade sind, sich einer äußerst unseriösen Kreditvergabepraxis zu bedienen. (...) die Verbraucher mit dem niedrigsten Einkommen bezahlen die höchsten Zinsen".

Zu einem Geschäft gehören immer zwei. In diesen Fällen ist das der eine, der sich nicht um die Existenz des anderen schert. Und der andere, der sich von seinem Gesprächspartner über den Tisch ziehen lässt. Der dritte im Bunde ist wohl die allgemein herrschende Hysterie, dass man alles, was man sieht, auch haben muss. Nein, Banken sollten schon ein wenig verantwortlicher mit den Begierden ihrer Kunden umgehen.

Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz erklärt explizit, dass die Banken bis vor 11.06.2010 ihre Kreditvergabe nicht verantwortungsvoll durchgeführt haben: 

Das Gesetz zur Umsetzung der europäischen Verbraucherkreditrichtlinie verpflichtet ab dem 11. Juni 2010 die Kreditgeber zu einer verantwortungsvollen Kreditvergabe. Dazu müssen die Kreditgeber vor Abschluss des Kreditvertrags die Kreditwürdigkeit des Verbrauchers genau prüfen. Hierzu müssen sie den Verbraucher befragen und nötigenfalls Informationen bei einer Kreditauskunftei einholen.

Die Kreditrichtlinie wird die Banken nicht verantwortungsvoller machen

Das Perfide an der neuen Verbraucherkreditrichtline ist, dass die Banken  ihre unethische Kreditvergabepolitik legalisiert und dokumentiert bekommen nach dem Motto: „der Kunde wurde voll aufgeklärt, ihm sind jetzt alle Kosten und Unkosten bekannt, er hat alles und überall in 2fachen Exemplaren unterschrieben. Wenn er jetzt noch Schulden macht, ist er selber schuld. Und wir sind fein raus.“

Somit können einige Banken sich konsequent der Frage gesellschaftlichen und ethischen Verantwortung entziehen.  Denn die Verantwortung greift dann, wenn die Bank nicht mehr jedes Geschäft macht, nur weil sie es machen kann.

Fazit: aus der Sicht des Gesetzgebers wäre eine gesetzliche Begrenzung der Schuldenquote (Schuldendienst /Einkommen) einfacher und eleganter gewesen. Aber wer möchte sich schon mit der Banken Lobby anlegen, Frau Aigner? Und wer würde solch ein paternalistisches Gesetz schon wollen? Schwierig, schwierig... Was können wir alle tun, um hier Veränderung herbeizuführen? Auch hier gibt es ein paar schlaue Fragen, die jeder von uns seiner Bank stellen sollte:

Bevor Sie ein Kreditaufnehmen fragen Sie ihre Bank, ob und wie:

-          die Bank den Schuldendienst berechnet

-          der Zins von diesem Schuldendienst abhängig ist

-          die Bank mit dem Thema Überschuldung umgeht

-          und was passiert, wenn Sie in Verzug geraten würden

Es gilt wie immer: Wenn Ihnen die Antworten Ihrer Bank gefallen, dann bleiben Sie dort. Wenn nicht, wechseln Sie einfach!

 

 

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