Krise und Provisionen: Vertrauen als Gehaltsbestandteil?
Oder: Wer dient wem?
Laut einer Umfrage des Bundsverbandes Deutscher Banken vom August 2009 hat das Vertrauen „in die eigene Bank“ angesichts der Finanzmarktkrise nur bei 7 Prozent der 1061 Befragten stark gelitten. Allerdings hat das Vertrauen „in die Banken in Deutschland“ zum gleichen Zeitpunkt bei 52 % der Befragten stark gelitten. Da fragt man sich ja, wie das zusammen passt. ...
Die einfache Antwort auf diese Frage findet sich wohl wirklich in dem einfachen Umstand, dass Sparkassen und Genossenschaftsbanken den größten Markanteil in Deutschland haben. Die meisten sind also bei guten Banken und haben deshalb wohl keinen besonderen Grund zur Klage. Leiden alle unter dem, was die Geldmedien ihnen tagtäglich einhämmern – nämlich dass „die Bänker“ nur auf Boni und Provisionen aus sind?
Wie immer lohnt es sich, ein wenig tiefer zu graben....
Die Logik des Verkaufs
Allgemein wird heute ja gern sehr pauschal über die Gewinnsucht „der Banken“ gewettert. So leitet zum Beispiel das Bundesministerium der Finanzen in seiner Pressemeldung „Neue Regeln für Vergütung im Finanzbereich - Kabinett beschließt Gesetzesentwurf für angemessene und nachhaltige Vergütung“ vom 9.2.2010:
Die Krise hat gezeigt, dass eine verfehlte Vergütungspolitik nicht nur die Stabilität einzelner Unternehmen, sondern auch die Finanzmarktstabilität im Allgemeinen gefährden kann. Denn die gängige Vergütungspraxis im Finanzsektor ist stark an kurzfristigen Kriterien ausgerichtet. Sie belohnt einseitig kurzfristigen Erfolg, ohne Misserfolg ausreichend zu sanktionieren. Damit verleitet sie dazu, den langfristigen und nachhaltigen Unternehmenserfolg aus dem Blick zu verlieren. Akteure hatten übermäßig große Risiken übernommen, was eine Ursache der weltweiten Finanzmarktkrise war.
Wenn die ganze Welt scheinbar nur noch am Verkaufen und nicht mehr am Nutzen für den Kunden orientiert ist, dann muss man darüber nachdenken, ob man mit Boni- und Provisionsregelungen überhaupt was ändern kann. Umgekehrt könnte man auch sagen: Wenn es gesetzliche Regelungen geben wird, greifen die ohnehin nur da, wo der Fehler lag.
Eine ähnliche Haltung nimmt auch das Branchenmedium „Die Bank“ in ihrem Artikel „ Führungskräftevergütung in Banken -Wer verdient wie viel?“ ein:
Vermeidung schädlicher Anreize
Explizit Anreize zu schaffen, unangemessen hohe Risiken einzugehen, verbietet sich von selbst. Allerdings entstehen diese Anreize meist eher indirekt: wenn Ziele nur erreicht werden können, sofern unvertretbar hohe Risiken eingegangen werden, wenn Einkommenschancen unlimitiert hoch sind, wenn ein bestimmter Status und Lebensstandard nur erreicht werden kann, wenn Boni auf jeden Fall gezahlt werden, fördert dies zumindest das Hasardieren.
Das ist sicher nicht ganz falsch. Aber es wird wohl auch nie ganz richtig sein. Kommt eben immer drauf an: Von welchen Banken sprechen wir grade?
Der Provisionsanteil bei den Gehältern
Also: Wo werden die dicken Provisionen und Boni gezahlt? Auch hier hilft die Lektüre des Artikels in „Die Bank“ tatsächlich weiter:
Am verbreitetsten sind Tantiemen und Boni in den Privatbanken; hier beziehen auf der ersten Ebene 99 % der Führungskräfte (zweite Ebene: 94 %) durchschnittlich knapp 26 % ihres Gehalts erfolgsabhängig. In den öffentlich-rechtlichen Banken dagegen erhalten lediglich etwa 65 % der Führungskräfte variable Zahlungen in einer durchschnittlichen effektiven Höhe von etwa 14 % der Gesamtbezüge.
Damit ist die Höhe der variablen Anteile zum großen Teil - dies betrifft insbesondere die Genossenschaftsbanken - noch auf einem verhältnismäßig niedrigen Niveau, verglichen zum Beispiel mit Industrieunternehmen. Sowohl im Hinblick auf die Wirksamkeit von Anreiz- und Steuerungsimpulsen als auch unter dem Gesichtspunkt der Personalkostenflexibilität erscheint für diese Banken eine spürbare Ausweitung der variablen Anteile sinnvoll.
Also bestätigen sich hier zwei Dinge. Nämlich erstens, dass Bank nicht gleich Bank ist. Und zweitens, dass man diesen Unterschied – glaubt man den Zahlen des Branchenmediums – auch im „flexiblen Anteil“ am Gehalt ablesen kann.
Die Privatbanken geben deutlich mehr Zunder als die öffentlichen und Genossenschaftsbanken. Nach unseren Informationen bezieht sich der flexible Anteil bei Genossenschaftsbanken übrigens nie auf die „persönliche Verkaufsleistung“, sondern wird zu großen Teilen vom Gesamtergebnis der Bank abgeleitet. Über einen Kamm geschoren werden die Banken trotzdem....
Womit man Geld verdienen kann
So richtig seltsam wird die Gemengelage, wenn man sich diesbezüglich einmal den unter der Headline „ Warum der Verkaufsdruck bei Banken extrem hoch bleibt“ am 20.4.2010 in der Wirtschaftswoche erschienenen Artikel duchliest:
"Das Privatkundengeschäft behält für alle deutschen Banken weiter eine große strategische Bedeutung“, sagt Andreas Pratz, Bankenexperte bei A.T. Kearney. Gewinnen könnten die Banken den Wettbewerb nur über bessere Beratung. Wenn die sich an den tatsächlichen Bedürfnissen orientiere, ließe sich der Ertrag pro Kunde um bis zu 20 Prozent steigern. Dabei helfen nach Pratz’ Meinung aber nicht immer höhere Vertriebsziele, sondern intelligente Produkte.
Ja, da brat uns einer einen Storch! Sollte doch noch Vernunft einkehren? Man weiß es nicht....
Liegt es wirklich an den Provisionen?
Bemerkenswert ist bei dieser ganzen Diskussion, dass offenbar jeder denkt, man könne über die Eindämmung von Provisionen und Boni das Denken verändern. Quasi indem man den Bänkern direkt an den Geldbeutel geht. Ach nein, stimmt ja gar nicht. Psychologisch gesehen müsste man ihnen ja einen Gegenwert versprechen können, der das scheinbar geringere Gehalt aufwiegen würde. „Zufriedene Kunden“ und „Stützung des gesellschaftlichen Wohlstandes“ und derlei gute Dinge mehr. Bleibt die Frage, ob das bei Großbänkern oder „Gierbänkern“ wie die Bild-Zeitung sie gern nennt – und solchen, die es werden wollen - als besonders sexy betrachtet wird....
Kommt halt doch drauf an, wovon man spricht
Es gibt eben nicht nur bei den Banken, sondern auch bei den Bänkern solche und solche. Also wird das Ganze, so schreibt unter anderem auch „Die Bank“, eben über die Boni als einigermaßen intelligentes systemisches Instrument gesteuert:
Soweit nicht ohnehin vorhanden, werden künftig in die Bonuschancen angemessene Begrenzungen (Caps) eingebaut, möglicherweise mit einer nachträglichen Begrenzung, wenn sich herausstellt, dass Erfolge nur durch zu hohe Risiken erreicht wurden. Zumindest die Vergütungsgrundsätze des SoFin sehen eine solche Möglichkeit vor.
Bei solchen Bedrohungen ist die allseits beliebte Deutsche Bank natürlich immer schnell mit „Lösungen zur Hand“. Noch einmal die Wirtschaftswoche:
Um ihre Beratung zu verbessern oder zumindest besser aussehen zu lassen, gehen die Banken unterschiedlich vor. Bei der Deutschen Bank etwa wacht seit Mitte 2009 Christoph Bubmann als Chief Client Officer darüber, „Kundeninteressen und Ertragsziele der Bank in Einklang zu bringen“. Dafür hat er Mitspracherechte bei der Entwicklung neuer Produkte und Abläufe, wobei er notfalls auch ein Veto einlegen kann.
Man höre und staune: Die Deutsche Bank führt einen Officer ein, der speziell für die Kunden da ist. Wer hätte das gedacht, dass wir das nochmal hören würden ... obwohl: Ist es nicht eigentlich seltsam, dass man sich über so was noch wundern muss?
Die Kirche sollte im Dorf stehen
Wenn man über „die Banken“ und „die Bänker“ so unterschiedslos herzieht, sollte man bedenken, dass die Person, mit der wir am Schalter meistens sprechen, sicher nur selten zu den Großprofiteuren des Finanzmarkts gehört. Laut den von Ver.di veröffentlichten Gehaltstabellen im neu ausgehandelten Tarifvertrag mit privaten und öffentlichen Banken liegen ab Januar die Gehälter in den einzelnen Tarifgruppen und Altersklassen zwischen 1929 und 4261 Euro.
Wo der Tarifvertrag wirkt, sollte auch der flexible Anteil am Gehalt nicht weiter ausufern. Dass hier das Problem nicht wirklich liegt, sieht auch das Bundesmindesterium der Finanzen in dem bereits genannten Papier vom 9.2.2010. Dort heißt es:
Variable Vergütungsbestandteile sind Bestandteil einer zivilrechtlichen Vereinbarung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Hier kommt die Vertragsfreiheit zum Ausdruck, die als Form der allgemeinen Handlungsfreiheit grundgesetzlich geschützt ist. Jeder Einzelne kann Verträge grundsätzlich so abschließen, wie er das wünscht und ist bei bestehenden Verträgen davor geschützt, dass sie durch die öffentliche Gewalt geändert werden. Damit konkurriert aber das Interesse der Allgemeinheit, vor Gefahren von außerordentlicher Bedeutung – wie sie die Finanzkrise mit ihren Auswirkungen über Banken hinaus auf das ganze Finanzsystem war – geschützt zu werden. Die Untersagung oder Beschränkung variabler Vergütungsbestandteile kann solchen Krisen entgegenwirken oder vorbeugen. Mit diesem geringen Eingriff – nur eine bestimmte Art von Entgelt ist betroffen – wird das höchste volkswirtschaftliche Schutzgut gesichert: ein funktionsfähiges Kredit- und Versicherungswesen.
Es ist also nur „eine bestimmte Art von Entgelt“ betroffen. Aber darüber macht man sich in den Skandalmedien keine Gedanken. Ob es vielleicht daran liegt, dass es überall Leute geben kann, die derartig vom Finanzmarktvirus angesteckt sind, dass sie zwischen richtig und falsch nicht mehr unterscheiden können? Wenigsten scheint das die Wirtschaftswoche zu unterstellen:
„Zwischen Ertragszielen und Beratungsqualität wird ein ständiger Spagat bestehen bleiben“, gibt ein Bankmanager zu. Dass etwa ehrgeizige Filialleiter über die Stränge schlagen, ließe sich nie vermeiden. „Wir können nur versuchen, Fehlentwicklungen früh zu erkennen und rechtzeitig gegenzusteuern“, sagt er. Wichtig wäre das. Weitere Imageschäden kann sich die Branche kaum leisten.
Fazit:
Was lehrt uns diese Diskussion in der Breite und Tiefe der Bankenwelt? Wohl einfach nur, dass es immer besser ist, sich zu fragen: Worüber reden wir hier eigentlich?
„Die Banken“ gibt es nicht. Auch wenn man es uns immer weismachen will. Und deshalb kann die in der Umfrage des Bundesverbandes der Banken gestellte Frage:
„Sind die Banken sind in ihren Finanzgeschäften aufgrund der Finanzmarktkrise vorsichtiger geworden?“ auch keine wirklich klare Antwort geben. 48% antworten hier mit „ja“, 47% Prozent mit „nein“ und 5% mit „weiss nicht“.
Wenn wir es genau wissen wollen, können wir es ja aktiv heraus bekommen. Zum Beispiel, indem wir unsere Bänker fragen
-
ob seine Bank während der Krise in Schieflage geraten ist
-
ob sein eigenes Gehalt vom qualitativen Verkaufserfolg beeinflusst wird
-
ob er persönlich Provisionen aus Verkäufen erhält
-
was er selbst von dieser Diskussion hält.
Wenn uns die Antworten gefallen, dann bleiben wir bei der Bank. Und wenn nicht? Dann nicht!
Noch etwas? Na klar! Zum Beispiel könnt Ihr einfach
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