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IWF: Grenzenlose Hilfe. Oder: Eine Frage der Vernunft.

 Unter der Headline „ Weltwirtschaft - IWF plant permanenten Hilfsmechanismus“ schrieb am 7.10.10 unter anderem die Zeit, dass der Internationale Währungsfonds IWF eine unbegrenzten Hilfe für in Schieflage geratene Staaten einrichten wolle. Unbegrenzt heißt: Ohne Grenzen. Das ist natürlich ein Projekt, über das man trefflich philosophieren kann...

Um es einmal einfach zu sagen: Man kann diese Initiative so interpretieren, dass hier einfach in homöopathischer Manier die Entgrenzung des Spieles mit Geld durch eine Entgrenzung des Mangels an Geld bekämpft wird.

Darüber muss man nachdenken... und wie immer ein wenig tiefer graben...

Was Anfang Oktober angedacht wurde, setzte der IWF auf gewisse Weise am 23.10.10 um. So berichtet zum Beispiel die Märkische Allgemeine unter der Überschrift „G-20 wollen Abwertungswettlauf von Währungen verhindern“:

 

Die Finanzminister der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G-20) sind übereingekommen, einen Abwertungswettlauf ihrer Währungen zu verhindern (…), um ein ausgewogenes globales Wirtschaftswachstum zu ermöglichen. Wie aus der am Samstag veröffentlichten Abschlusserklärung hervor geht, verpflichteten sich die Länder dabei jedoch nicht auf Zielgrößen. (…) Der Erfolg dieser Politik soll jedoch nicht an konkreten Werten, sondern nur "indikative Richtgrößen" gemessen werden.

Die Instrumente sind also weder vom Ziel noch vom Ergebnis her eindeutig zahlenmäßig begrenzt. Das ist nun ein Procedere, das vor allem dem zahlenorientierten Menschen förmlich ein Dorn im Auge sein muss.

Die Diskussion

Und deshalb geht das auch der Deutschen Bundesbank gegen den Strich:

Die Deutsche Bundesbank, so schreibt die Zeit am 7.10.10, reagiere entsetzt: Ein solcher Mechanismus würde ja schließlich die Risikobereitschaft der Marktteilnehmer erhöhen! Hier ein schönes Zitat aus dem Zeitartikel:

„"Das könnte letztlich die Quelle sein für neue Instabilitäten auf den internationalen Finanzmärkten“, schimpft ein hochrangiger Bundesbanker.“

Diese Kritik ist aus Sicht einer zahlenorientierten Welt logisch und nachvollziehbar. Allerdings übersieht sie die Tatsache, dass durch die Entgrenzung ein Ausreizen bis zur obersten Grenze schlicht unmöglich gemacht wird. Das psychologische Spiel gegen den Grenzwert wäre dadurch gewissermaßen sinnlos gemacht. Auch das ist ja auf gewisse Weise nicht unlogisch. Irgendwie ist es sogar vernünftig.

Mehr noch: Man kann sich durch diese Loslösung von Zahlen auch auf das konzentrieren, was nicht zum Spielen, sondern zur vorsichtigen Vernunft zwingen könnte. So argumentiert wenigstens der IWF-Präsident. Auch hier ein Zitat aus dem Zeit-Artikel:

IWF-Chef Strauss-Kahn weist Vorhaltungen zurück, der Fonds vergebe zu leichtfertig Kredite. (…) Lasch seien die Konditionen trotzdem nicht. "Sprechen Sie mit den Menschen in Griechenland. Dort glaubt man nicht, dass es einfach ist, vom IWF Geld zu bekommen.“

Das ist eine relativ einfache pädagogische Logik: Wenn es Mecker gibt, ist man lieber vorsichtig. So gesehen könnte man fast sagen, dass diese Variante die menschlichere ist....

Menschen und Wölfe

Dass es nicht nur beim globalen Finanzsystem, sondern auch sonst im Zusammenleben der Menschen im Grunde eigentlich nie um Zahlen sondern immer um die Erkenntnis geht, dass der Mensch dem Menschen ein Wolf sein kann, wird schon in einem Artikel von Spiegel Online 10.5.10 unter dem Titel „EU ringt um 500-Milliarden-Stütze für den Euro“ am Rande erwähnt:

Die Attacken von Spekulanten auf die Einheitswährung glichen "dem Verhalten von Wolfsrudeln", warnte der schwedische Finanzminister Anders Borg in Brüssel. "Wenn wir dieses Rudel nicht stoppen, werden sie die schwächsten Länder reißen."

Die "Financial Times" berichtete unter Berufung auf Daten der Börse in Chicago, dass Spekulanten ihre Wetten gegen den Euro deutlich ausgeweitet hätten. In der vorletzten Woche stieg die Zahl der Wetten auf einen Rekordwert von 103.400 - mit einem Gesamtbetrag von 16,8 Milliarden Dollar. Damit habe es in den vergangenen drei Wochen 48.000 Wetten mehr als gewöhnlich gegen den Euro gegeben.

 

Diese paar Zeilen stellen aus Sicht des allgemeinen Seelenhaushalts der Finanzleute in Politik und Wirtschaft wohl den markantesten Aufprall von zahlenmäßiger Vernunft und menschlichem Denken dar.

 

Die Frage, auf die beides hinausläuft: Wieviel Schmerz oder wieviele Wetten braucht es wohl, damit einem der Kamm schwillt? Kann man Zorn oder Toleranzschwellen in Zahlen fassen?

 

Zahlen oder gesellschaftliche Ergebnisse

 

Der IWF laboriert an diesem Thema schon seit vielen Jahren. So berichtete Swiss-Info schon am 17.11.04 unter der schönen Headline „Währungsfonds gibt sich selbstkritisch“:

Zur Erhöhung der Transparenz bei der Kreditvergabe hat der IWF die Bedingungen angepasst. Bei der Armutsbekämpfung bleibt aber noch einiges zu tun. (…) Früher habe der Internationale Währungsfonds (IWF) bei den Engagements vor allem auf das Schlussresultat geschaut, sagte Fritz Zurbrügg, Schweizer Exekutivdirektor beim IWF (…). "Hauptsache, das Defizit des betroffenen Landes wurde gesenkt." (…) Kritiker hatten bemängelt, der IWF ließe zu, dass die Regierungen armer Länder bei Bildung und Gesundheit die Staatsausgaben kürzten, um ihr Defizit zu senken.

Wenn man hier richtig hinliest, sieht der IWF in seiner internen Diskussion schon das Symptom – wohl nicht notwendigerweise die Ursache der Kritik: Zahlen und das Geld haben eine dienende Funktion – sie dienen der Entwicklung und dem Wohlstand der Menschen rund um den Globus. Wer’s vergisst und nur auf Zahlen guckt, produziert zwar vielleicht die Zahlen, die er für richtig hält – droht aber, fürs große Ziel blind zu werden. Diese Gefahr scheint auch sechs Jahre später noch nicht ausgeräumt zu sein. Wie kontraproduktiv sich das auswirken kann, schreibt das Hamburger Abendblatt am  23.10.10 („Schwellenländer bekommen mehr Macht - Deutschland verliert):

Die strengen Sparauflagen für Schuldner haben den IWF in vielen Ländern Lateinamerikas, Asiens und Afrikas in Verruf gebracht. Viele dieser Länder suchten sich in den vergangenen Jahren deshalb anderweitige Kreditgeber. Dem IWF wurde vorgeworfen, er betreibe sozialen Kahlschlag, der den inneren Frieden der Schuldnerländer gefährde. Durch die stärkere Berücksichtigung der sozialen Lage in den Empfängerstaaten versuchte der IWF in den vergangenen Jahren, diesen Vorwurf zu entkräften.

 

Wie man hier – wenn man das denn überhaupt will – erkennen kann, ist die reine Zahlenorientierung nicht nur nicht zielführend, sondern bedroht die Gesellschaft als Ganze.

 

Schuldenerlass

 

Dass die gesellschaftlichen und menschlichen Notwendigkeiten auch beim IWF und in den Finanzministerien gerne als finanzmäßige, ökonomische Phänomene gesehen werden, zeigt auch ein Artikel in Swiss-info Swiss-Info 3.10.2004 zitiert in dem Artikel „Keine Schulden-Tilgung für die ärmsten Länder“ den damaligen Schweizer Finanzminister Merz:

 

Die komplette Streichung der Schulden für gewisse Länder des Südens wäre eine Ungerechtigkeit gegenüber andern armen Ländern, die einen sinnvollen und straffen ökonomischen Kurs verfolgten.

 

So sehr man diese Denkweise einerseits nachvollziehen kann, so viel besser liest sich Meldung, die etwa ein Jahr später (22.12.05) im Stern zu lesen war:

 

Schuldenerlass für die ärmsten Länder: Für 19 der ärmsten Länder der Welt wird das neue Jahr gut beginnen: Dann sind sie auf einen Schlag ihre gesamten Schulden beim Internationalen Währungsfond los. Die Finanzorganisation kostet der Schuldenerlass rund 2,8 Milliarden Euro. Und das soll erst der Anfang sein.  "Dies ist ein historischer Moment", sagte Tom Dawson, Sprecher des Internationalen Währungsfonds (IWF) - und er hatte Recht. (…) Als 20. Land soll Mauretanien in wenigen Wochen folgen, wie IWF-Sprecher Thomas Dawson in Washington mitteilte. (…) Mauretanien soll die Kreditschuld gestrichen werden wenn es seine Finanzpolitik transparenter gestaltet. Dazu muss das Land noch nachweisen, dass die eingesparten Gelder tatsächlich in die Armutsbekämpfung fließen werden. (…)

Wie man sieht, war Transparenz auch vor 5 Jahren schon die Grundlinie finanzieller und menschlicher Vernunft. Und dennoch:

 

Liest man über die Dimensionen der Hilfe – also ca drei Mrd Euro – mutet das fast höhnisch an. Die Finanzkrise kostete den IWF und die Staatengemeinschaft ein Vielhundertfaches....

 

IWF wird globaler

 

Vielleicht tritt ja nun doch eine neue Vernunft an den Platz der Zahlenorientierung. Wie man ja kürzlich bereits in unserem Artikel über Ex-Präsident Köhler lesen konnte, trieb das Motiv der globalen Gerechtigkeit auch ihn an. Wir zitieren hier erst Köhler der im September 2000 auf der IWF Tagung in Prag gesagt haben soll:

Globalisierung für alle soll künftig ein Leitmotiv für die Arbeit des Fonds sein.

 

Globalisierung wäre im besten Verständnis am Ende nichts anderes als ein Wort für globale Verantwortung. Und eben nicht nur für globale Märkte. Schon gar nicht für Finanzmärkte. In diesem Sinne zitieren wir der Einfachheit halber uns selbst:

 

(Diese Äußerung Köhlers) kann man natürlich auch so lesen oder so. Aber um ihm gerecht zu werden: Damit meinte er wohl – wenigstens zu diesem Zeitpunkt - dass eine wesentliche Funktion des IWF die Senkung der Armut sein müsse. Und zwar vor allem in den Teilen der Welt, in denen es nicht ums Geld, sondern ums schiere Überleben geht. So richtig daran gehalten hat sich da aber keiner.

Wie es scheint, tendiert der IWF 10 Jahre nach Köhlers Amtzeit als IWF-Chef langsam aber sicher dazu, die Welt nicht völlig mit der Wirtschaft zu verwechseln. Dass sich im IWF etwas zu ändern scheint, ist im bereits genannten Artikel im Hamburger Abendblatt vom 23.10.10 „ Schwellenländer bekommen mehr Macht - Deutschland verliert“ zu lesen:

Die Finanzminister der 20 einflussreichsten Industrie- und Schwellenländer (G-20) einigten sich am Sonnabend auf die umfassendste Reform des Internationalen Währungsfonds (IWF) in dessen 66-jähriger Geschichte. Bei ihrem Treffen im südkoreanischen Gyeongju kamen die Finanzminister zu der Entscheidung, den Schwellenländern ein größeres Stimmengewicht im IWF-Verwaltungsrat zu geben. (…)

Es steht zu hoffen, dass es hier nicht darum ging, die wirtschaftlich gefährlich werdenden BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien und China) in den wirtschaftlichen Konsens-Griff zu kriegen.

Gesellschaft und Banken

Vor diesem Hintergrund macht es Sinn, sich einmal zu überlegen: Ist denn die einzige Lösung, das ganze Finanzsystem abzuschaffen? Oder würde es reichen, den Zahlen und dem Geld wieder die Funktion zu geben, die ihnen gebühren? Gibt es denn überhaupt noch Banken, die sich im Wesentlichen als gesellschaftlich dienlichen Institutionen verstehen – oder nur noch Wölfe?

 

Die Frage ist natürlich rhetorisch. Denn wir wissen, dass es noch gute Banken gibt, die sich allein schon aufgrund ihrer Satzung und ihrem genossenschaftlichen Selbstverständnis der Gesellschaft und nicht dem Finanzmarkt unterstellen. Ein schönes Beispiel gibt in diesem Zusammenhang der Artikel in der Financial Times mit dem Titel „Genossenschaftsbanken - Zusammenbruch ausgeschlossen Deutschland vom 25.5.10, in dem es – auch nur in einem Nebensatz – um die zahlenmäßige Begrenzung der Nothilfe geht:

 

(…) mit der möglichen Pleite einer Mitgliedsbank steht auch die Reputation der knapp 1200 anderen Institute des Verbunds auf dem Spiel: "Ein wirtschaftlicher Zusammenbruch einer genossenschaftlichen Bank könnte zu einem Vertrauensverlust für die genossenschaftliche Bankengruppe insgesamt führen", sagt BVR-Vorstandsmitglied Hofmann: "Deshalb ist der Institutsschutz für die genossenschaftliche Bankengruppe von fundamentaler Bedeutung." (…)Eine festgelegte Zielgröße für den Garantiefonds gibt es nicht, er wächst weiter mit den Beiträgen der Mitgliedsbanken. (…) BVR-Sprecherin Melanie Schmergal: "Die Kunden der Genossenschaftsbanken können sich auf die Sicherungseinrichtung in jedem Fall verlassen."

Die einfachsten Regeln für ein gutes Zusammenleben sind halt auch im Bankensektor: Einer für alle – alle für einen. Zusammenhalt anstatt Wettbewerb. Kundenorientierung statt Gewinnmaximierung. Gibt es keine Grenze, hört man nicht auf, nach dem Besseren zu streben.

 

Fazit

 

Schuldenerlass, Schuldentilgung. Wenn man Geld erfinden und im großen Stil verbrennen kann, dann ist es wohl wirklich das Beste, den grenzenlosen Wahnsinn durch grenzenlose Fokussierung auf das zu richten, was nottut: Den Aufbau und die Sicherung von Wohlstand und Überleben der Menschen rund um den Globus.

 

Der Bedarf danach ist vor allem dann grenzenlos, wenn die private Finanzwirtschaft droht, sich von diesem Ziel nicht nur völlig zu verabschieden, sondern den Wohlstand für alle Menschen bewusst zu riskieren. In diesem Zusammenhang liest sich das schon mehrfach genannte Zitat von Josef Ackermann aus dem Capital-Magzin vom 17.11.09 (Headline: “Ackermann will Vollkasko für Banken“) noch seltsamer.:

„Der Steuerzahler soll für einen neuen Rettungsfonds zahlen - so stellt es sich der Deutsche-Bank-Chef vor. (...) Ackermann begründete seinen Vorschlag damit, dass die Banken es vermutlich nicht schaffen würden, die Rettung anderer Institute ausschließlich privatwirtschaftlich zu regeln. Die Gesellschaft werde möglicherweise „am Ende akzeptieren müssen, dass der Staat in systemischen Bankenkrisen der Aktionär der letzten Instanz bleibt“, so der Schweizer, der auch Chef der internationalen Bankenvereinigung IIF ist.“

 

 

Bleibt die Frage: Was können wir alle tun, damit solche so vernünftig daherkommende Aussagen nicht zum Standard der Vernunft werden? Am besten wohl einfach selbst umdenken. Und Aufpassen, dass wir unter der allgemeinen finanzmarktorientierten Reizüberflutung nicht selbst anfangen zu denken wie der schlaue Josef.

 

Und dann sollten wir uns auch überlegen und uns fragen, ob wir bei der richtigen Bank sind. Ist sie an unserem Wohl und am Wohl der Region interessiert oder sieht sie vor allem ihre Verantwortung gegenüber ihren Shareholdern?

 

Wenn wir nach diesem einfachen Kriterium unterscheiden, können wir auch leicht entscheiden. Und das wird nun einmal auf Sicht – das ist einfach so – auf Sparkassen und Genossenschaftsbanken hinauslaufen. Doch doch. Das sehen wir so. Weil es unterm Strich eine Frage der Vernunft ist...

 

Soviel also zu diesem etwas längeren philosophischen Exkurs zum IWF, der homöopathischen Heilung der Volkswirtschaften und des Finanzmarkts durch Entgrenzung.

 

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