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Hebel-ETF der Deutschen Bank: Was ist drin?

Oder: Kann man Vertrauen zählen?

 

Am 16.5.10 erklärte uns das Handelsblatt in dem Artikel „ Wenn der einfache Gewinn nicht mehr reicht“ die Funktionsweise von Hebel-ETF. Lanciert wurde der Artikel ganz offenbar von der wunderbaren, der großartigen, der herrlichen Deutschen Bank.

 

In dem Artikel heisst es nämlich ganz am Anfang:

 

„Vor kurzem baute die Deutsche- Bank-Tochter DB-X-Trackers ihr Angebot an Strategie-ETFs aus - speziell an Produkten, mit denen Anleger an der Entwicklung von Indizes mit einem Hebel (engl. Leverage) teilhaben können.“

 

ETF? X-Tracker? Leverage auf Indices? Was bedeutet das eigentlich?

Wie immer lohnt es sich, ein wenig tiefer zu graben…

 

Was ist ein Hebel ETF?

 

Nehmen wir als erstes das Konzept des Hebel-ETF vor. Das ist zwar recht kompliziert – aber laut Handelsblatt geht das einfach so (Achtung, festhalten):

 

„Das Indexkonzept ist eigentlich einfach. Beispiel: Ein Anleger besitzt 1 000 Euro und investiert diese in den Dax. Gleichzeitig leiht er sich zusätzliche 1 000 Euro, die er ebenfalls in den Dax investiert - insgesamt beträgt seine Anlagesumme damit 2 000 Euro. Für den geliehenen Betrag muss er drei Prozent Zinsen, das heißt 30 Euro, pro Jahr zahlen. Diese Leihgebühr wird auf täglicher Basis berechnet und läge in diesem Fall bei etwa acht Cent. Wenn der Dax nun an einem Tag um fünf Prozent steigt, verdient der Anleger insgesamt 100 Euro abzüglich der acht Cent Leihgebühr. Unter dem Strich bleibt ein Gewinn von fast zehn Prozent - bezogen auf seinen eigenen Einsatz von 1 000 Euro.“

 

Du investierst also 1000 Euro – und kriegst aber „Ware“ für 2000 Euro. Du musst nur einen Kredit über weitere 1000 Euro aufnehmen.  Ist ja prima. Der kostet Dich ja kaum etwas. (Wenn man es einmal so einfach beschreibt, wird man die Erinnerung an diese Verkaufskanäle nicht los, in denen es immerzu heisst: „Und das ist nicht alles – denn wenn Sie unser Produkt kaufen, bekommen Sie dieses hochwertige Messer-Set gratis dazu!“…)

 

Wenn man sich das durchliest, wird man auch das Gefühl nicht los, dass man bei solchen Deals eigentlich nur gewinnen kann. Allerdings, so lehrt uns das Handelsblatt in dem genannten Artikel auch: Man hat schon ein Risiko:

 

Doch wenn die Dax-Entwicklung nicht einfach, sondern gleich doppelt nachvollzogen wird, erhöht sich auch das Risiko. Das ist aber nicht zu verwechseln mit der Wahrscheinlichkeit eines Verlusts - die bleibt genauso hoch wie beim herkömmlichen Index. Lediglich die Verlustdynamik ist fast doppelt so hoch.

 

Das ist nun wirklich eines der brillantesten Spiele mit Worten, das man sich vorstellen kann. Ja klar, man kann schon verlieren – aber die Verlustwahrscheinlichkeit ist dieselbe – egal ob 1000 oder 2000 Euro. Nur die Dynamik des Verlusts ist größer. Man will sich angesichts dieser in sich völlig logischen Feststellung vor Ehrfurcht verneigen. Auf deutsch heißt das soviel wie: Wenn Du 1000 Euro investiert, kannst Du theoretisch 1000 Euro verlieren – bei einer Investition von 2000 Euro kannst Du theoretisch 2000 Euro verlieren. Allerdings ist ja die Wahrscheinlichkeit, dass die 30 größten Unternehmen den Bach runtergehen, so gering, dass du höchstens im ein- oder zweistelligen Prozentbereich verlieren kannst. Da macht das Spielen doch Spaß...

 

Mal im Ernst: Was muss man geraucht haben, um das zu verstehen und gut zu finden?

 

Man muss wirklich tiefer graben, um hier noch die Füße auf dem Boden zu halten...

 

Was ist der DAX?

 

Man investiert bei Index-Fonds also zum Beispiel auf den DAX. Was ist der DAX eigentlich genau? Die Deutsche Börse, der die Bezeichnung DAX gehört, definiert den DAX wie folgt:

 

„DAX

Aktienindex, der die Wertentwicklung der 30 nach Marktkapitalisierung größten und umsatzstärksten deutschen Aktien im Prime Standard der FWB® Frankfurter Wertpapierbörse abbildet.

Der deutsche Leitindex DAX® wird seit dem 1. Juli 1988 von der Deutsche Börse AG berechnet. Er repräsentiert rund 75 Prozent des gesamten Grundkapitals inländischer börsennotierter Aktiengesellschaften und etwa 85 Prozent der in deutschen Beteiligungspapieren getätigten Börsenumsätze.

Die DAX-Werte notieren im Prime Standard. Kriterien für die Gewichtung der Aktien in DAX sind der Börsenumsatz und die Marktkapitalisierung des Streubesitzes. DAX wird als Kurs- und Performance- Index aus Xetra®-Kursen sekündlich berechnet und aktualisiert.“

 

Wir lernen also: Der DAX stellt nicht nur einfach die addierte Kursentwicklung der 30 größten börsenotierten Unternehmen Deutschlands dar – die einzelnen Unternehmen werden auch noch unterschiedlich gewichtet. Unterm Strich heisst das: Wenn Du Dich nicht ständig damit beschäftigst, weißt Du wirklich nicht genau, worin du investiert bist.

 

Nächste Frage:

 

Was ist ein ETF oder Indexfonds?

 

Wie man immer wieder – unter anderem auch im Handelsblatt liest, investiert man mit Indexfonds in einen Index. Da stellt sich für einen normalen Menschen die Frage: Wenn wir einen ETF kauen – investieren wir dann in die zugrundeliegenden Aktien – oder kauft der Fondsanbieter sie für uns? Liest man die Definition der Deutschen Börse zum Indexfonds, lautet die Antwort wohl nur: Vielleicht...

 

ETF (Exchange Traded Fund)

Fondsanteile, die Anleger über die Börse wie Aktien kaufen oder verkaufen können.

Synonyme: Indexfonds, Index-Tracker, Indexaktien, passiv verwaltete Fonds. ETFs müssen zwei Kriterien erfüllen:

  • Transparentes Portfolio. Die Zusammensetzung des Portfolios von ETFs wird täglich veröffentlicht. Damit erhalten Anleger fortlaufend einen Überblick über die Gewichtung der einzelnen Aktien im Portfolio auf Basis der Schlusskurse vom Vortag.
  • Creation/Redemption. ETFs besitzen einen sog. Creation und Redemption-Mechanismus, der es professionellen Marktteilnehmern erlaubt, jederzeit Aktienkörbe mit der gleichen Zusammensetzung gegen ETFs (und umgekehrt) mit der Fondsgesellschaft zu tauschen.

Der Name ETF stammt – wie die ersten Fonds dieses Typs – aus dem Angelsächsischen und wird im europäischen Ausland nur für Indexfonds verwendet, auch wenn eine direkte Übersetzung von „exchange-traded funds“ ins Deutsche allgemein auf börsengehandelte Fonds schließen ließe.

 

Also mal auf deutsch: Wer in einen ETF investiert, kann nicht sagen „Ich habe Aktien von allen DAX-Unternehmen gekauft.“ Er kann nur sagen: „Ich habe von einer Fondsgesellschaft einen passiven Indexfonds gekauft – und mit dem Geld, das ich dafür bezahle, können von dem Fondsanbieter unter Umständen Aktien dieser Unternehmen gekauft worden sein.“ Es liegt im Wesen dieser „passiven Fonds“, dass das ohnehin keine Rolle spielt, ob sie nun wirklich investiert sind oder nicht. Denn sie sind definitiv keine Instrumente für Investoren – sondern nur für Trader und Spieler.

 

Wie wird gehandelt?

 

Diese Feststellung bestätigt übrigens auch die am 1. November 2010 von der Uni Konstanz vorgelegte Studie „Investitionsverhalten bei Short und Leveraged ETFs“. Die Ergebnisse der Studie im Groben:

 

Deutsche Anleger halten diese Art von ETF nur kurz: Nach 15 Tagen sind 50 Prozent, nach spätestens drei Monaten 85 Prozent aller Engagements beendet. Die durchschnittliche Haltedauer liegt laut der Studie bei rund 47 Tagen. Die Beträge, mit denen gespielt wird, sind „relativ“ niedrig: Die pro Position eingesetzte Summe liegt unterhalb von 5000 Euro.

 

Was uns diese Studie aber vor allem lehrt, ist der Name des Unternehmens, das sie in Autrag gegeben hat – und bei dem sich der Studienleiter höflich bedankt: Es handelt sich hier um db x-Trackers – also den ETF-Anbieter der Deutschen Bank. Für die Studie ließ DB x-trackers 26.394 Engagements von über 10.000 Anlegern seit Anfang 2008 untersuchen. Von daher lassen sich die Ergebnisse der Studie auch schön in Richtung „Was wollt Ihr denn – ist doch alles nicht so tragisch und die Anleger haben die Sache doch im Griff.“

 

Man sieht hier einmal mehr: Wenn man in Zahlen denkt, kann man in Zahlen auch alles beweisen...

 

Aber mal ehrlich: Wer in einen ETF investiert, dem dürfte im Grunde ohnehin egal sein, ob das Geld und die Rendite, die man ihm verspricht, nun auf „echten Werten“ oder nur auf dem Auf und Ab einer Kurve besteht. Denn das Ganze ist im Grunde wirklich nur eine Erfindung des Finanzmarkts, mit der man Geld aufsaugen und damit spielen kann. Ob da nun grade echte Referenz dahinter liegt oder nicht spielt im Grunde keine Rolle.

 

Fazit: Kann man Vertrauen auch berechnen?

 

Nun wissen wir also in etwa, was ein Index-Fonds ist. Und wir wissen auch, dass die Menschen, die auf solche Instrumente setzen, ganz offenbar Trader und keine Investoren sind. Sie haben den Kontakt zur Erde verloren. Und das ist genau genommen das Seltsame an diesen Index-Fonds: Sie tun gar nicht mehr so, als würde es noch um irgendwelche realen Unternehmen, um reale Wertschöpfung oder um irgendetwas gehen, das noch greifbar wäre. Und obwohl sie sich diese Mühe gar nicht mehr machen, werden in schöner Beständigkeit immer noch mehr neue Fonds aufgelegt. Offenbar schaffen die Banken es, ihren Kunden dieses ganze Simulations-Konzept als völlig logisch und richtig zu verkaufen.

 

Und an dieser Stelle gewinnt der im letzten Jahr von allen Banken als notwendige Voraussetzung fürs Geschäft beschworene Begriff des Vertrauens eine besondere Bedeutung. Brauche ich als Bank das Vertrauen des Kunden, um ihm weiterhin Dinge verkaufen zu können, die er und ich selbst nicht verstehen? Oder bedeutet Vertrauen und Vertrauenswürdigkeit eben, dass ich mich als Kunde darauf verlassen kann, dass mir mein Bänker nichts mehr verkauft, was er selbst nicht versteht oder was mit der Realität der Wertschöpfung nichts zu tun hat?

 

Hier liegt die eigentliche Problematik nicht nur der Hebel-ETF der Deutschen Bank, sondern der Finanzmarkt-Orientierung im Ganzen. Solange die zugrundeliegende Denkweise immer noch all diese Vabanque-Spiele als logisch und nachvollziehbar betrachtet, wird Vertrauen nicht mehr sein als die Hoffnung, dass die Rendite zahlenmäßig solide und die Verluste klein bleiben werden.

 

Mit Verlaub: Durch diese Art von Vertrauen verhindert man überhaupt nichts. Und man sichert auch keine Existenzen. Sondern nur die Fortführung des spekulativen und abstrakten Spiels mit Werten. Echtes Vertrauen würde wohl auf einer Art von Bankgeschäft basieren, das den Kontakt zur wertschöpfenden Welt noch hat – es ist ok in Aktien direkt zu investieren und sich an den Dividenden zu freuen. Wenn das Unternehmen, in das man investiert ist, einem nicht mehr gefällt, kann man auch mal aussteigen. Wenn es einen Kurssprung um 100% gemacht hat, kann man auch mal Danke sagen und die Hälfte seiner Aktien zu Geld machen. Aber wohin dann mit dem schönen Geld? Wieder in andere Finanzmarktprodukte investieren? Fragen über Fragen.

 

Allemal bleibt festzustellen: Wenn für abstrakte Produkte mit Haltedauern von anderthalb Monaten gerechnet wird und das Geld immer wieder von neuem angelegt wird – wer verdient dann unterm Strich am meisten? Wahrscheinlich die Unternehmen, die solche Produkte produzieren. Unter anderem eben die Deutsche Bank...

 

Was können wir da tun? Zum Beispiel können wir einfach unsere Bänker fragen

 

  1. ob unsere Bank ETF oder gar Hebel-ETF anbietet
  2. ob unsere Berater diese Produkte wirklich versteht
  3. ob er selbst sein Geld in solchen Produkten anlegt
  4. ob er weiss, wo das Geld wirklich hinfliesst

 

Dann sollte wie üblich gelten: Wenn uns die Antworten gefallen, bleiben wir bei unserer Bank. Und wenn nicht? Ja dann eben nicht.

 

Noch etwas? Ja klar, wenn Ihr Lust habt, könnt Ihr

 

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Wir freuen uns über alles, was ihr tut. Weil das allen helfen würde. Und ganz ehrlich: uns auch!

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