claim von gute-banken

Sinneswandel im Spiegel

Interessanter Sinneswandel: Im Spiegel („Abstieg der Geldgötter“, 23.2.12) zieht der ehemalige Chef-Redakteur des Manager-Magazins über das Finanzsystem und die Großbanken her. Die Bänkerboni würden ja nun endlich sinken. Und die Finanzindustrie sein nun ja endlich gezwungen, ihr Geschäftsmodell grundlegend zu ändern. Die Realwirtschaft würde endlich wieder eine größere Rolle spielen. Und überhaupt sollten die Banker sich nicht länger auf groteske Weise zu Lasten der Übrigen bereichern, sondern durch ein neues Geschäftsverständnis daran gehindert werden, „in immer kürzeren Abständen die Welt an den Abgrund zu führen“.

Jaja. Das ist alles richtig. Blöde nur dass derselbe Kritiker sich im Jahr 2007 – auch im Spiegel („Absurder Provinzialismus“, 11.6.07) - noch darüber beschwerte, dass Deutschland in erschreckendem Ausmaß unfähig sei, seine Banken „für eine globalisierte Welt aufzustellen“ – und dass sogar die Deutsche Bank nicht mehr die Nummer eins sei.

Mehr noch: Damals beschwerte er sich wirklich darüber, dass die Öffentlich-Rechtlichen - die bei uns eine Machtfülle hätten wie nirgendwo sonst auf der Welt - „die Ertragschancen der privaten Banken“ beschnitten. Harter Tobak. Wahrscheinlich wurden die Großbanken demnach wohl ins Investment Banking getrieben, weil die kleinen ihnen das Brot- und Buttergeschäft wegnahmen. Jaja...

Und überhaupt, so schrieb er damals, seien die Öffentlichen und die Genossen so „zersplittert“, dass sie trotz ihres enormen Potenzials in der internationalen Szene keine Rolle spielten. Und dann kommt die Krönung:

Würde man Sparkassen und Landesbanken zusammenschließen, so der Chefkritiker damals, wären sie „die größte Bank der Welt“ – und dass sie das nicht seien, sei ein unhaltbarer Zustand von „absurdem Provinzialismus“.

Genau genommen kann man also sagen: Stellt Euch mal vor, wenn man damals auf ihn gehört hätte. Dann wären die Öffentlichen und womöglich die Genossenschaftsbanken zu einer „systemrelevanten Großbank“ gemacht worden. Too big to fail und das alles. Dann würde es uns und vor allem unserem Mittelstand wohl genauso schlecht gehen wie den meisten anderen. Denn dann hätten die „Provinziellen“ sicher nicht mehr das getan, wofür sie in allen Krisen standen. Sie haben dafür gesorgt, dass der Mittelstand funktionieren konnte.

Davon spricht er aber heute nicht mehr. Heute sind die Großbanken plötzlich die Bösen. Manchmal dauert es halt ein wenig länger, bis man versteht
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0 # Autor 2012-03-01 15:19
Jaja. Der ehemalige Chefredakteur des Manager-Magazins lässt seiner Tiefendepressio n in Spiegel-Online (?Europa braucht Kurswechsel: Volle Kraft zurück!?, 1.3.12) über Europa erneut freien Lauf.

Der Euro sei ja ein Großexperiment, in dem sich ?Länder mit vielen Gemeinsamkeiten , aber auch mit viel Unterschiedlich em - Wirtschaft, Politik, Historie, Lebensweisen? - eine gemeinsame Währung gegeben hätten. Bis daher stimmt?s.

Jetzt kommt?s: Entgegen manchen Erwartungen ? auch seiner eigenen ? seien diese Unterschiede im Lauf der Jahre aber ja gar nicht geringer geworden. Und irgendwie gebe es ja ?leider? auch keine Veranlassung solche Annäherung in überschauba rer Zukunft zu erwarten. Und weil das so wäre, müsste man quasi die Einheitliche Stabilitätspolitik und so jetzt mal schnell wieder vergessen.

Was ist das denn für eine Herleitung? Sollte Europa aus finanzwirtschaf tlichen Gründen seine kulturelle, historische und auch politische Diversität abgeben oder wie soll das gehen? Dass es ausser ?kontinental? und ?national? auch ?föderal? gibt, scheint ihm entgangen zu sein. Offenbar gibt es nur Licht an oder Licht aus. Schwarz oder weiss.

Das mag daran liegen dass er wie manche andere den Euro als eine reine Handelsware betrachtet, ohne dabei die handelnden Akteure zu sehen. Kein Wort über die Bedeutung des Finanzmarkts, der ja bei der aktuellen Entwicklung auch eine nicht ganz unerhebliche Rolle spielen dürfte. Und das, obwohl zum Beispiel die FTD (?Märkte verlieren Glauben an Portugal?, 29.2.12) gerade mal einen Tag zuvor zu den stetig steigenden Zinsaufschlägen auf portugiesische Staatsanleihen den Chefvolkswirt einer britischen Großbank zitierte: Der stellte sinngemäß fest, dass Portugal zwar ?alles richtig gemacht, gespart und saniert und die von der EU diktierten Programme durchgeführt habe - und die Zinsaufschläge dennoch ?unglaublich hoch" seien.

Wenn man das jetzt mal auf die Worte des Magazin-Managers anwendet, würde das wohl heißen, dass kulturelle, historische und politische Diversität halt einfach ein Hemmschuh für die Finanzwirtschaf t wären. Und weil man die Unterschiede nicht glattbügeln könnte, müsste man jetzt einen "radikalen Kurswechsel" vollziehen und sich jetzt halt wieder was anderes überlegen oder halt gleich wieder zu Nationalstaaten zurückkehren.

Lange Rede, kurzer Sinn: Wer nur auf Zahlen sieht, kann auch nur Zahlen sehen.
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