claim von gute-banken

Spritpreise Zertifikate

Was bei drei nicht auf dem Baum ist, wird zur Wette gemacht: Wie die FTD („Diese Zertifikate helfen Ihnen an der Tankstelle“, 13.6.12) uns lehrt, haben Deutsche Bank und Konsorten ein weiteres Spielfeld eröffnet. Wer sich gegen steigende Spritpreise „absichern“ wolle, wettet mit Zertifikaten auf deren Entwicklung. Genau genommen werde Benzin ja schon seit Mitte der 80er-Jahre in Form von Future-Kontrakten an der New Yorker Rohstoffbörse Nymex gehandelt. Das schöne Wort, das man sich dafür überlegt hat: „Partizipationszertifikate“. Da würde man als Anleger nämlich „eins zu eins an der Entwicklung des Basiswerts und somit an den Gewinnen und Verlusten“ teilnehmen.

Da muss man mal drüber nachdenken:

Wenn der Oma die Spritpreise also zu hoch sind und die Oma nicht nur zu den Zahlenden gehören will, soll sie eine Wette auf noch weiter steigende Preise eingehen. Und soll dann wohl denken, dass sie den Sprit ja fortan aus den möglichen Erträgen der Wette finanzieren kann.

Das Ergebnis: Die Oma pumpt also nicht nur Geld in die Tankstelle, sondern auch in „die Märkte“. Und wer bei solchen Wetten am Ende gewinnt, dürfte eh klar sein:

„Die Märkte“ treiben die Spritkosten also spekulativ weiter hoch. Die steigenden Kosten bleiben bei der Gemeinschaft. Die Gewinne bleiben im Finanzmarkt.

Nun könnte man sich ja fragen, wenn nun fortan alle, diesem Prinzip folgen und parallel Ihr Auto tanken und auf steigende Preise spekulieren würden? Das wäre ja ein prima perpetuum mobile. Wären dann die Probleme gelöst? Weil ja alle ein vitales Interesse an steigenden Preisen hätten, würden die Preise solange steigen, bis die Blase platzt. Auf diese Weise haben sie schon viele Bereiche erst hochgepeitscht und dann wieder auf Verluste gewettet. Unter anderem auch bei Staatsanleihen.

Ein prima Beispiel für das eigentliche Problem: Die ursprüngliche Funktion von Zertifikaten, dass sie Unternehmen zur Absicherung von Geschäften dienen sollten, ist längst ausgehöhlt. Zertifikate sind zu Spielsachen geworden.

Wie heftig dieses Spiel getrieben wird, sagt eine Pressemeldung der Deutschen Börse vom 2.4.12: „Im März 2012 wurden an den internationalen Terminmärkten der Eurex Group börsentäglich im Durchschnitt rund 10,1 Mio. Kontrakte gehandelt.“

Das muss man sich mal reintun. Über 10 Millionen gehandelte Kontrakte pro Tag. Derivate auf alles, was bei drei nicht auf dem Baum ist. Da stellen sich drei Fragen:

1. Wer glaubt noch, dass es hier um etwas anderes geht als um Profite für "die Märkte?
2. Wie soll bei solchen Größenordnungen noch Transparenz geschaffen werden?
3. Warum wird diese Zahl nicht durch Regulierung reduziert?

Nö, also echt mal jetzt: Dann schon lieber Festgeld bei der Sparkasse oder Genossenschaftsbank. Und das Auto lieber mal öfter stehen lassen und mit dem Rad oder der Bahn fahren…
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Kommentare

Kommentare 

+3 # Autor 2012-06-18 17:09

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Dem kann ich natürlich nur zustimmen. Die Frage ist nur, kann man dem einzelnen Bürger, der auf den Märkten aktiv wird, dessen Handeln vorwerfen? Oder muss man nicht das System reformieren und vor allem regulieren, damit andere Anreize geschaffen werden? Ich bin als Selbständiger heilfroh, dass ich nicht in die gesetzliche Rente einzahlen muss. Ich habe mir einen angelsächsischen Anbieter unter dem Deckmantel der Rürup Rente gewählt, um mein Geld ganz klar kapitalmarktori entiert anzulegen - denn die gesetzliche Alternative ist für mich ein Verlustgeschäft auf Lebenszeit. An den Märkten investiere ich insbesondere in Aktien von Edelmetall-und Rohstoffunterne hmen, um mich gegen die mögliche Implosion des Papiergeldsyste ms abzusichern und natürlich im besten Fal auch überdurchsc hnittliche Renditen zu sichern. Was bietet mir meine genossenschaftl iche Hausbank vor Ort? Eine Beratung, die weniger Fachwissen aufweist als ich selber mitbringe. Und ein Tagesgeldkonto, das mit 0,7 % verzinst wird. Noch Fragen?
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0 # Autor 2012-06-18 17:11
Vorwerfen kann man dem Individuum nichts. Die Kategorie des Vorwurfs wird ohnehin weithin unterschätzt.

Das gilt übrigens auch für die Bank vor Ort, die Dir genau das, was Du suchst, nicht bietet. Dafür bietet sie Dir eine sehr große Sicherheit ? sowohl bezogen auf die Institutssicher ung und auch bezogen auf das Interesse, das sie verfolgt. Sie dient Dir, der Region, ggf. der Kommune, reinvestiert einen Großteil des Geldes, das sie ?an Dir verdient?, in Leute wie Dich und uns. Sicher ist sie unterm Strich quasi zu blöd, um strukturierte Produkte rauszulegen. Oder vielleicht auch zu bauernschlau, um so was zu machen. Wer weiß das schon.

Was die Geldanlage angeht: Finanzier Dir doch einfach ein Haus mit einem ordentlichen Eigenkapitalant eil. Wenn Du das abbezahlt hast, hol Dir noch ein paar Eigentumswohnun gen dazu. Und achte immer darauf, dass Du selbst bei schlechtesten Geschäften immer genug auf der hohen Kante hast, um die schlechte Phase mindestens ein Jahr auszuhalten. Bis Dein Kapital auch bei der schlechtesten Geldanlage (also beispielsweise ein Zins von 0,7%, der unterhalb der Inflationsrate liegt, bei einem Wert von Null angekommen ist, liegst Du schon six feet under?

Drolligerweise machen die Märkte derzeit ja gerade das, was die Kunden der regionalen Banken machen. Sie investieren in deutsche Staatsanleihen mit Negativrendite. Darüber dozierte Deutsche Bank Research ja kürzlich: Im Moment gehe es nicht um den ?search for yield? ? also eine möglichst hohe Gewinnspanne - Sondern ein ?flight to quality and simplicity? ? also um was Gutes und Einfaches.

Das System flieht also quasi vor seinen eigenen Erfindungen. Irgendwie drollig...

So, und nun wünschen wir Dir und uns allen ein schönes Spiel heute Abend (der Grill muss aufgebaut werden?)
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