claim von gute-banken

Sigmar Gabriel und Jürgen Habermas

Aha. Laut FAZ-Online („Kurswechsel für Europa: Einspruch gegen die Fassadendemokratie“, 3.8.12) hatte Sigmar Gabriel den universalpragmatischen Philosophen Jürgen Habermas um einen Beitrag zum Parteiprogramm der SPD gebeten. Daraus entstand...in Zusammenarbeit Später Julian Nida-Rümelin und dem nachfrageorientiert denkenden Ökonomen Peter Bofinger ein Papier, das FAZ-Online veröffentlichte. Neben vielen bereits bekannten Anklagen stellt das Papier zwei Dinge fest, die ja nun auch nicht unbekannt sind. Es spricht von

1. einem „gespenstischen Paralleluniversum“, das die „Investmentbanken und Hedgefonds neben der realen, Güter und Dienstleistungen produzierenden Wirtschaft aufgebaut haben“
2. den europäischen Völkern sei die Souveränität, „von „den Märkten“ längst geraubt worden“

Der Schluss, den die Herren ziehen, kommt einem bekannt vor: Die Krise sei auf systemische Probleme zurückzuführen. Diese Probleme und die Instabilität der Finanzmärkte ließen sich nur durch eine gemeinschaftliche Haftung für Staatsanleihen des Euroraums beseitigen oder begrenzen. Weil dafür eine demokratische Legitimation notwendig sei, schlagen sie ein Referendum vor.

Das klingt nun enorm demokratisch – ist aber per Saldo auch nur eine Reaktion auf das ungebremste Verhalten „der Märkte“.

Kein Wort darüber, dass der Systemfehler auch in der Beliebigkeit der kommunikativen Aufmerksamkeit zu tun. Erst waren es die Verbriefungen. Bis zum Jahr 2008 lebte man vorzüglich mit dem Instrument der Staatsanleihen (trotz mancher bilanzieller Unschärfen, die schon lange vorher bekannt waren). Und erst als dieser Markt kollabierte, wandten sich die Märkte – und auch die Rating-Agenturen den Staatsanleihen zu. Das lässt sich ja zeigen: In einem vom IWF im März 2011 vorgelegten Papier „Sovereign Rating News and Financial Markets Spillovers: Evidence from the European Debt Crisis“ wird in einer Tabelle die Anzahl der Ratings der drei führenden Rating-Agenturen aufgelistet: Vom 9.1.2009 bis zum 17.5.2010, so gibt das Papier an, meldeten sich die drei großen Rating-Agenturen insgesamt 55 mal bezüglich europäischen Staatsanleihen zu Wort. Im ebenfalls erfassten Zeitraum vom 23.10.2006 bis zum 12.12.2008 kamen sie gerade mal auf langweilige 17 Meldungen.

Kein Wort auch über das Verbot von „Instrumenten“ des Marktes. Wie wir kürzlich in einem Handelsblatt-Interview lernten, liege d das Volumen des Derivate-Markts „irgendwo zwischen 400 und 700 Billionen Dollar“.

Kein detailliertes Wort über das Missverhältnis zwischen der Tiefe des Finanzmarkts im Verhältnis zum Sozialprodukt der Welt: Lt. einer Studie von Mckinsey („Mapping Capital Marktes Fourth Annual Report“, 2008, S.21) lagen der globale Wert an „financial assets“ und das Bruttosozialprodukt der Welt noch gleich auf. 2006 lag der Finanzwert schon 3,5 mal so hoch wie das BSP.

Und natürlich kein Wort darüber, dass all das schöne Geld ja im Ursprung nur den Zweck erfüllen sollte, Sparer / Investoren und Kreditnehmer zusammen zu bringen, um mit einer auskönnlichen Rendite für die Investoren und auskömmlichem Zins für die kreditnehmenden und für Arbeit sorgenden Unternehmen den Wohlstand der Menschen zu befördern. So wie das die Sparkassen und Genossenschaftsbanken brav und langweilig tun.

Vor diesem Hintergrund wundert es einen nicht, dass das Papier der beiden Philosophen und des Wirtschaftsprofessors das System nicht verlässt, sondern „im System“ denkt und arbeiten will, anstatt „am System“ zu arbeiten…Mehr anzeigen
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