claim von gute-banken

Der Markt hat immer recht

Interessant: Die FAZ („Der Markt hat immer recht“, 9.8.12) beginnt jetzt auch, „die Märkte“ in Anführungszeichen zu schreiben - und sich vom allzu blinden Glauben an deren Rationalität zu distanzieren. Das wird bei der FAZ über zwei Wege ge...macht:

Zum einen wird so wie es eben grade Mode ist, mit der Politik gehadert, die „bisher nicht gekannter Ambivalenz“ damit beschäftigt sei, „jegliche Entscheidungen von diesem Markt abhängig zu machen“ – der Gipfel dieses Marktfetischismus sehe man in der Forderung ans Bundesverfassungsgericht, es „möge doch bitte schneller entscheiden, damit „die Märkte“ nicht in Aufruhr versetzt würden.“

Zum Anderen sieht die FAZ „die Märkte“ gar gleich als die „dunkle Seite unseres Ichs, bei der die Bewusstseinsebene unseres Gewissens wegrationalisiert wurde.“

Wenn man schon von Gewissen spricht, sollte man das eben nicht mit Verweis auf die Politik tun. Sondern sich selbst fragen, ob es denn wirklich der richtige Weg ist, einerseits wegen ein paar Zehntel Prozent mehr fürs Festgeld oder auch wegen ein paar Euro weniger beim Essen, bei den Möbeln in genau die Läden zu gehen, die den reichsten Menschen Deutschlands, Europas oder im Falle von Ikea der Welt gehören.

Man sollte sich auch fragen, ob es politisch der richtige Weg ist, das Arbeitslosengeld Zwo aus einem Warenkorb zu berechnen, der im Wesentlichen aus Aldi-Produkten besteht. Ob die ambivalente Struktur, die einerseits die Frauen gern am Herd und bei der Kinderziehung sehen würde, andererseits das Leben ohne Doppelverdienst nahezu unmöglich gemacht und zu einer Art Gebärstreik gefürht hat, besonders vernünftig war. Oder ob es gut ist, sich anstatt über den Sinn der eigenen minimal-maximal-Denkhaltung lieber über zu hohe Dispozinsen zu ereifern - obwohl man genau wissen müsste, dass Banken sich mit noch so hohen Dispozinsen niemals eine derartig goldene Nase verdienen können wie „in den Märkten“.

Wenn man dies alles mal zusammen betrachten würde, käme man ggf. zu dem Schluss:

Die derzeit in Mode gekommene Politikschelte und die ebenfalls gerade moderne Verschaltung der von „den Märkten“ induzierten Euro-Bonds mit der Frage nach „mehr Demokratie“ sind auch nicht wirklich abendfüllend oder gar zielführend. Mal unter uns: Die demokratisch zu legitimierende Frage „Wollen wir denn überhaupt noch solidarisch sein?“ ist moralisch gesehen eigentlich reichlich perfide. Ebenso perfide ist dieses ständige Gerede vom „mündigen Anleger“ als Lösung - bei dem es meist ohne nur darum geht, dass die Mündigkeit darin besteht, sich zwischen zwei Produkten „der Märkte“ zu entscheiden – anstatt dazu befähigt zu werden, einfach mal nur „nein“ zu sagen.

Das wäre dann vielleicht mal der Punkt: Politik und Demokratie sind mehr als das, was in den Parlamenten und Regierungen stattfindet. Politik ist auch die Entscheidung, die wir selbst jeden Tag treffen. Bei der Wahl unseres Lebensmittelhändlers, bei unseren Möbelhäusern – und nicht zuletzt auch bei den Banken, mit denen wir zusammenarbeiten…
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