Britischer Investmentbanker versteht die Deutschen
Sowas aber auch: ZEIT-Online („BRITISCHER INVESTMENTBANKER:
Wir sollten die Deutschen verstehen!“, 29.8.12) bringt den Artikel eines ehemaligen wohl britischen Investment-Bänkers. Konkret geht es um die verschiedenen Denkweisen, die man so
gegenüber dem Verhältnis von Märkten und Staaten haben kann.
Zunächst hantiert er ein wenig mit „No Pain, no Gain“ und den üblichen Management-Sprüchen „der Märkte“. Dass man ja produktiv sein müsse wegen der Chinesen und so. Und dann kommt er wohl mehr versehentlich auf den delikaten Punkt:
Für „die Deutschen“ erschiene es ja logisch, dass „die Bondmärkte“ Länder wie Irland und Portugal mit steigenden Kursen belohnten, und andere mit fallenden Kursen „bestrafen“. Wegen der Produktivität und der Härte des Sparkurses und so was alles.
Und dann kommt‘s: Während die Südstaaten ihn für „irrational und überholt“ hielten, sei „der Bondmarkt“ aus Sicht der deutschen Politik eben „rational und fair“. Damit spricht er das große Problem gelassen aus. Und etwas später fügt er dann hinzu: „Der Anleihemarkt scheint die deutsche Sichtweise zu teilen.“
Und das könnte eben das Problem sein. Man ist sich in der Denkweise allzu einig.
Wie sagte Gerhard Schick kürzlich im Interview mit uns: „Die Vorstellung von effizienten Märkten ist empirisch nicht haltbar.“
Aber offenbar, so lehrt uns der Investment Bänker, sehen das „die Märkte“ immer noch nicht. Die Lobby der Märkte und ihre immer so schön zwingend logisch erscheinende Rationalität ist eben ungebrochen stark…
Wir sollten die Deutschen verstehen!“, 29.8.12) bringt den Artikel eines ehemaligen wohl britischen Investment-Bänkers. Konkret geht es um die verschiedenen Denkweisen, die man so
gegenüber dem Verhältnis von Märkten und Staaten haben kann.
Zunächst hantiert er ein wenig mit „No Pain, no Gain“ und den üblichen Management-Sprüchen „der Märkte“. Dass man ja produktiv sein müsse wegen der Chinesen und so. Und dann kommt er wohl mehr versehentlich auf den delikaten Punkt:
Für „die Deutschen“ erschiene es ja logisch, dass „die Bondmärkte“ Länder wie Irland und Portugal mit steigenden Kursen belohnten, und andere mit fallenden Kursen „bestrafen“. Wegen der Produktivität und der Härte des Sparkurses und so was alles.
Und dann kommt‘s: Während die Südstaaten ihn für „irrational und überholt“ hielten, sei „der Bondmarkt“ aus Sicht der deutschen Politik eben „rational und fair“. Damit spricht er das große Problem gelassen aus. Und etwas später fügt er dann hinzu: „Der Anleihemarkt scheint die deutsche Sichtweise zu teilen.“
Und das könnte eben das Problem sein. Man ist sich in der Denkweise allzu einig.
Wie sagte Gerhard Schick kürzlich im Interview mit uns: „Die Vorstellung von effizienten Märkten ist empirisch nicht haltbar.“
Aber offenbar, so lehrt uns der Investment Bänker, sehen das „die Märkte“ immer noch nicht. Die Lobby der Märkte und ihre immer so schön zwingend logisch erscheinende Rationalität ist eben ungebrochen stark…
Kommentare
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Obwohl der Sprache mächtig und vom Hintergrund schonmal etwas gehört: Der Sinn dieser Darstellung erschließt sich mir nicht. Scheint er doch zusätzlich in der Wiedergabe kastriert worden zu sein...
Wenn ein ehemaliger Investment-Bänker zum ?Verständnis für die Deutschen? aufruft, dann tut er das vielleicht einfach nur, um ?sein? System zu sta
bilisieren. Er versteht die Deutschen, weil sie (noch) so denken wie er.
Der Ankersatz des Artikels ist eben dieser eine: ?Aus Sicht der deutschen Politik ist der Bondmarkt rational und fair, während die Südstaaten ihn für irrational und überholt halten.?
Er verteidigt die deutsche Politik also mit der Begründung, dass sie im Gegensatz zu vielen anderen noch an die Rationalität dieses Systems glaubt, aus dem heraus er argumentiert.
Und man darf schon fragen: Sind die Bond-Märkte denn wirklich noch ?rational?? Dass man die Sache auch anders sehen kann, zeigen verschiedene Faktoren:
Zum Einen ist da die mechanische Schlüsselrolle, die von den Rating-Agenturen im Spiel ?der Märkte? besetzt wird. Die Frage ist hier: Welches Gewicht legten die Agenturen zu welchem Zeitpunkt auf Staatsanleihen? Das kann man nachlesen: In dem vom IWF im März 2011 vorgelegten Papier ?Sovereign Rating News and Financial Markets Spillovers: Evidence from the European Debt Crisis? wird in einer Tabelle die Anzahl der Ratings der drei führenden Rating-Agenturen aufgelistet. Bemerkenswert daran: Vom 9.1.2009 bis zum 17.5.2010, so gibt das Papier an, meldeten sich die drei großen Rating-Agenturen insgesamt 55 mal bezüglich europäischen Staatsanleihen zu Wort. Im ebenfalls erfassten Zeitraum vom 23.10.2006 bis zum 12.12.2008 kamen sie gerade mal auf langweilige 17 Meldungen.
Man kann also erkennen, dass die Agenturen sich ab dem Jahr 2009 deutlich intensiver mit europäischen Staatsanleihen beschäftigt haben als vorher. Nun könnte man hier sagen: Naja, durch die Finanzmarktkris en wurden die Staaten ja auch gebeutelt und gerieten in zusätzliche Schieflagen. Allerdings könnte man auch sagen: Vielleicht war es eben so, dass ?die Märkte? in dieser Phase einfach ein neues Spielfeld gesucht haben und es deshalb plötzlich so viel Geschrei gab. Das wäre keine besonders rationale Begründung.
Zum Zweiten oszilliert die Debatte um Kredite auch für Staaten immer um den Begriff von Angebot und Nachfrage. Es wird viel über Kreditklemmen von Staaten aufgrund von Bonitätszweifeln gesprochen (die vorher wie gesagt lange Zeit keinen interessierten) . Allerdings könnte man auch sagen: Vielleicht hat es ja auch mit einer zu hohen ungesteuerten Liquidität als Ursache zu tun. Im Grünbuch Schattenbankwes en vom 19.3.12 berichtet die Europäische Kommission zum Beispiel, dass das vom Financial Stability Board ?grob geschätzte Volumen? allein des globalen Schattenbanksys tems bei etwa 46 Billionen EUR liegt. Seit 2002 habe sich diese Zahl mehr als verdoppelt. Sie entspreche jetzt ?25-30 % des gesamten Finanzsystems und der Hälfte aller Bankaktiva?. Wenn man sich solche Zahlen mal vor Augen führt, dann ist ein gewisser Zweifel an der Rationalität ?der Märkte? schon legitim. Einen derart großen unkontrollierte n Einfluss auf das Gesamtsystem so lange zuzulassen und zu befördern, ist systemisch gesehen schlichter Wahnsinn.
Zum Dritten wird gerne so getan, als seien Staatsanleihen noch einfache 1 zu 1-Geldanlagen mehr. (?Ich gebe dir Kredit und du zahlst mir Zinsen.?) Tatschlich werden sie mit sogenannten Kreditversicher ungen (Credit Default Swaps) gekoppelt. Dadurch wird der Handel mit diesen Werten noch weniger rational nachvollziehbar . Vor dem Hintergrund der genannten Größenordnung en noch anzunehmen, es gehe bei Staatsanleihen tatsächlich um solide Bonitätsbetracht ungen, tendiert in eine ähnlich wahnsinnige Richtung. Die Verknüpfungen sind einfach zu vielfältig, um noch vernünftig betrachtet zu werden. So sieht das auch das vom IWF am 9.3.11 vorgelegte Papier ?Crisis Management and Resolution: Early Lessons from the Financial Crisis?. Dort heisst es: High interconnectedn ess in the recent crises was facilitated by innovations, especially securitizations and traded credit derivatives, and the expansion of the role of nonbank financial institutions known as the ?shadow banking system.? Das System demontiert sich durch seine Kreativität selbst. Das kann nicht vernünftig sein.
Zum Vierten ist noch nicht einmal die Annahme, dass eine hohe Staatsverschuld ung sich gesetzmäßig automatisch auf die Zinsen / Renditen von Staatsanleihen auswirken müsse, ernsthaft belastbar. Wenn das so wäre, dürfte es keine Staaten mit sehr hoher Staatsverschuld ung und niedrigen Zinsen geben. Die gibt es aber. Beispiele dafür sind Japan und USA. Die Gründe dafür kann man sich zwar rational erklären ? aber die Rationalität ist dann schon sehr systemimmanent.
Vor all diesen Hintergründen wird das Mantra von der Rationalität der?Märkte? und der sogenannten Euro-Krise sich irgendwann selbst überholen: An die immer und immer wieder behauptete lineare, objektivierbare und durchschaubare Gesetzmäßigkeit ?der Märkte? mag heute offenbar auch nur noch derjenige glauben, der von ihr nicht bedroht wird oder von dieser behaupteten Rationalität profitiert. Und dazu gehört derzeit eben auch Deutschland. Als wir vor 10-20 Jahren noch die ?rote Laterne? hatten, klang das noch ganz anders.
Also noch einmal zusammenfassend : Die Sichtweise, dass die sogenannte Euro-Krise vorrangig etwas mit Staatsverschuld ungsquoten zu haben könnte, ist im Wesentlichen von ?den Märkten? induziert und instrumentiert und wurde erst dann von den Staaten assimiliert. Man muss sie nicht einfach als gegeben hinnehmen. Man kann sie aus dieser Sicht auch als eine Erfindung der Märkte betrachten, die sich immer wieder neue Spielfelder suchen.
Dies alles sind Faktoren, weshalb die richtige Ansage aus unserer Sicht nicht ist, man müsse ?die Deutschen verstehen?. Vielmehr wäre die richtige Ansage: Die Märkte regulieren sich nicht selbst ? sie regeln ihre Geschäfte auf Kosten anderer. Sie sind nicht effizient. Und sie sind nicht wirklich rational. Sie tun nur so. Wenn man sie zu einer jederzeit transparenten und nachvollziehbar en Rationalität zwingen wollte, müsste man den Märkten die Instrumente wegnehmen und sie zur Langeweile zwingen. Aber so eine Forderung kann man eben von einem Ex-Bänker nicht erwarten.
Also: Wichtig war an diesem Artikel in der ZEIT aus unserer Sicht eben nur dieser eine Punkte: Die Art und Weise, wie dort ein Trennstrich zwischen denen gezogen wurde, die noch an die Rationalität glauben ? und denjenigen, die nicht mehr an sie glauben mögen. Darum ging es in diesem kurzgehaltenen Statement, das nun eine seeeehr lange und hoffentlich fruchtbare Vertiefung erfahren hat?
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Für den Fall dass diese Gedankenkonstru ktion mir gewidmet wurde, herzlichen Dank! Ich fühle mich nun bereits fast in der Lage, eine persönliche Bemerkung dazu anzufügen. Da diese allerdings eine, sich mir prompt aufdrängende, Binsenweisheit
beherrscht, halte ich mich eher zurück. Entscheidungen werden zu erheblich größeren Anteilen psychisch beeinflusst, als Analysten jedweder Herkunft es berufsbedingt anerkennen dürfen. Als Croupier mit 30 Jahren Berufserfahrung traue ich mir genau auf dem dargestellten Gebiet darum treffendere Gutachten zu.