claim von gute-banken

Anlegen ist nichts Obszönes?

Wachen sie langsam auf oder doch nicht? Mit der markigen Headline "Anlegen ist nichts Obszönes" sorgt sich jetzt auch der österreichische Standard.at (1.10.13) um einen „funktionierenden Finanzmarkt“ – genauer gesagt um das Verhältnis von Kleinanlegern zur Börse…

Bemerkenswert ist daran zunächst, dass dieses Thema unter anderen Vorzeichen kürzlich auch das Manager-Magazin („DEUTSCHES AKTIENINSTITUT: Deutsche Börse hat keine Lust mehr aufs DAI“, 27.9.13) beschäftigt hatte. Man macht sich dazu offenbar langsam so seine Gedanken. Im Unterschied zur Deutschen Börse, wo laut einem vom Manager-Magazin zitierten Kenner „die Emittenten nicht auf Kleinaktionäre angewiesen seien, weil der Kapitalmarkt ja „auch ohne die deutschen Kleinaktionäre" brumme, würde sich die Wiener Börse schon ein wenig mehr Aktivitäten der Kleinaktionäre wünschen.

In derStandard.at sagt ein interviewter Wirtschaftsprofessor auch gleich, wie man das wohl machen müsste:

Man müsse eben den Punkt darauf legen, dass andere Anlageformen ja – wie üblich – eine „negative Realverzinsung“ ergäben. Deshalb müssten die Leute "ja eigentlich gerade zu schreien nach Veranlagungen, die einen realen Ertrag versprechen.“ Nur täten sie das halt nicht. Deshalb müsse es eben Angebote und „auch einen steuerlichen Anreiz“ für jene geben, die nicht spekulativ, sondern langfristig veranlagen. Und außerdem müsse man halt auch signalisieren, „dass das nichts Obszönes und Unehrenhaftes ist“. Damit könne man die Dinge „wieder zum Positiven drehen“.

Naja, vielleicht müsste man halt vorher erst das Denksystem ändern, mit dem „die Märkte“ grundlegend operieren. Aber davon ist leider mal wieder nicht die Rede. Im Gegenteil, denn dann kommt’s: Damit man das Angebot noch ein wenig attraktiver und breiter machen kann, würde sich der Professor auch „weitere Privatisierungen von öffentlichen Unternehmen wünschen“.

Wie verzweifelt muss man wohl sein, wenn man einem maroden und gesellschaftsfernen System auch noch mit dem gesellschaftlichen Tafelsilber unter die Arme greifen will, um es attraktiv zu machen…

Allemal wird es interessant sein, wie sich diese Diskussion weiter entwickelt. Die Forderung nach einer neuen "Aktienkultur" oder "Wertpapierkultur" ist ja derzeit in aller Munde.

Die Frage ist eben, ob man das anders hinkriegen kann als durch rigide Regulierung des Systems – und zum Beispiel auch durch die Entschleunigung des Hochfrequenzhandels oder das Verbot von Wetten, Derivaten oder Contracts for Difference (CFD), die heute meist eh nicht mehr der Absicherung von realen Geschäften, sondern nur der Erzielung von schnellem Profit dienen.

In diesem Sinne steht zu hoffen, das dieser Artikel sicher nicht der letzte sein wird, den wir in diesem Zusammenhang lesen (und durch den Kakao ziehen) werden…
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Kommentare

Kommentare 

+5 # Autor 2013-10-01 20:24

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Man muss es anders hinbekommen. Regulation kann keine Option sein. Die wird eh wieder wilkürlich festgesetzt und Kleinanlegern am Wenigsten helfen. Stichwort: Lobby.
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0 # Autor 2013-10-02 15:38
Vielleicht muss man es anders formulieren. Der Begriff der Regulierung hat heute eine Bedeutung gewonnen, die - als Reaktion auf die Liberalisierung - allzu große und nicht gesellschaftsdi enliche Freiheiten einschränkt. Man kann es auch anders sehen: Regulierung hiesse dann lediglich, dass man sich entlang einer Logik des gesamtgesellsch aftlichen Nutzens Regeln gibt. Das ist angesichts des internationalen bzw transnationalen FInanzmarkts in der Tat nicht ganz einfach. Es gibt rund um den Globus sehr unterschiedlich e Konzepte von gesamtgesellsch aftlichem Nutzen. Was aber ja offenbar durch die G20 überwindbar ist. Du hast natürlich recht, dass der Lobbyismus hier eine Hürde ist. Aber das kann man ja abstellen. Der Lobbyismus ist zur "fünten Macht" geworden, weil man ihn wegen des Glaubens ans Expertenwissens an diese Macht ließ. Das Expertenwissen erwies sich sich nicht als besonders wertvoll. Und ganz ehrlich: Dass sich die G20 wieder einen wie Josef Ackermann als Berater holen würden, ist eher unwahrscheinlic h. Wie sagen die Amis: Fool me once, shame on you. Fool me twice, shame on me.... Zum Ackermann Josef als Berater haben wir uns vor ziemlich genau drei Jahren schon mal genussvoll ausgelassen. Liest sich immer noch drollig?

www.gute-banken.de/gb/meldungen/330-bock...r- zwischendurch.html
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