claim von gute-banken

Aufseher fordern Kontrolle der Börsenkurse

Ebenso bemerkenswert wie schräge: Wie das Handelsblatt („Aufseher fordern Kontrolle der Börsenkurse“, 8.12.13) berichtet, fragen sich die Finanzmarktaufseher jetzt, ob sie nicht auch die Börsenkurse besser kontrollieren sollten. Weil die Gefahr bestehe, dass es auch hier noch „Skandale wie bei den manipulierten Leitzinsen“ geben könnte.

Besonders drollig ist die zitierte Aussage vom EZB-Direktor und früheren Finanz- und Verbriefungsmarktverfechter Jörg Asmussen: Man könne zum Beispiel über Marktplätze mit festen Maßeinheiten – „wie zu Beginn der Industrialisierung Meter und Kilo“.

Nun steht in dem Artikel nicht so ganz exakt drin, über welche Börsenkurse da nachgedacht wird. Aber man kann das ja auch mal durchdeklinieren:

- früher war die Börse tatsächlich ein Marktplatz für Unternehmensanteile.
- Dann wurde die Börse privatisiert.
- Dann entfernte sich die Bewertung zunehmend von der Realität der bewerteten Unternehmen und wurde noch noch von „Angebot und Nachfrage“ definiert.
- Der Wert einer Aktie definierte sich fortan über ihr Verhältnis zu anderen Aktien.
- Dann wurden Deritave und „Hedging“ hochgejubelt und lösten den Wert von irgendwas vollends in eine wabernde Masse auf.
- Dann wurden Aktien-Indizes erfunden, um dieses Verhältnis einfacher darstellen zu können.
- Dann wurde der einfache Handel mit Aktien als für den Anleger zu anstrengend dargestellt und man erfand Aktien-Fonds, bei denen Fonds-Manager das für die Kunden übernahmen.
- Dann wurde gesagt, dass das auch zu kompliziert sei und man deshalb ETF brauche, die nur noch auf Indizes setzen.
- Am Ende war die Sache wunderbar einfach – und gnadenlos intransparent.

Das Ganze hat tatsächlich große Ähnlichkeiten zum Beispiel mit dem Verbriefungsmarkt und der Subprime-Krise, bei der auch echte Werte von ihrer Bedeutung abgelöst, zusammengepackt und zum Handelsgut gemacht wurden. Oder mit den Staatsanleihen, die sich nicht mehr über den eigentlichen Zins, sondern über die Rendite aus dem schwankenden Handelswert definieren.

Da fragt man sich: Kommt man nun drauf, dass die Reihung

⇒ schwankungsorientierte Aktienbewertung
⇒ breit streuende Fonds
⇒ virtuelle Indexfonds

zwar prima dem ewig runtergeleierten und nie hinterfragten Mantra der freien „Märkte“ von der Sicherung der Faktoren „Preisfindung und Liquidität“ dient – aber irgendwie keinen richtigen Sinn macht, weil es mit der Lebensrealität der Menschen und Unternehmen schlicht nichts mehr zu tun hat? Würde man deshalb gerne ein paar fixe und nicht bespielbare Maße wie "Meter und Kilo" haben?

Wohl noch nicht. Denn im Moment scheint es nur um den Verdacht zu gehen, dass alles, was von den Märkten selbst festgelegt wird, ggf. betrügerische „Eigeninteressen“ folgen könnte. Und die würde man gerne abstellen. Der Markt ist also immer noch die Lösung. Nur die Marktspieler könnten quasi Gauner sein und müssen kontrolliert werden.

Immerhin wird im Artikel die Präsidentin der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zitiert: Man müsse ernsthaft überlegen, wie man das System so umgestalten können, dass es auf „realen Transaktionen basiert“. Also so ähnlich wie das Geschäft von Sparkassen und Genossenschaftsbanken, die halt einfach nur Geld in der Region aufsammeln und wieder in der Region verteilen. Und auch so ähnlich, wie die deutschen Sparer das sehen, die ja ihre Kunden sind.

In diesem Sinne lässt der Artikel im Handelsblatt das eigentlich Interessante zwar aus. Ist aber trotzdem mächtig interessant…
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