Immobilien-Fonds: Degi Europa liquidiert. Oder: Zielerreichung über Bande.
Manche Fonds-Anbieter hatten schon Anfangs des Jahres ihre Fonds quasi präventiv ausgesetzt. Anlässlich der Ankündigung des Finanzministeriums, das Fondsgeschäft bezüglich der Haltedauer zu reglementieren, fürchteten sie: Die Anleger könnten durch diese Regelung so sehr verschreckt werden, dass sie ihre Anteile verkaufen – und die Fonds deshalb ausgesetzt werden müssten...
Bei Degi ist die Sache ein wenig komplizierter. Denn Degi hatte in den letzten 9 Jahren drei verschiedene Besitzer.
Gerade in diesem Fall lohnt es sich deshalb, ein wenig tiefer zu graben...
Zur Vorgeschichte
Im Jahr 2001 kaufte die Allianz in einem kaum nachvollziehbaren Mega-Deal die Dresdner. Kurz gesprochen – aber das ist wirklich nur ein Teil dieses Deals – bot die Allianz den Inhabern der Dresdner-Bank- Aktien an, die 580 Millionen Aktien der Dresdner in Allianz-Aktien zu tauschen. Das Ganze hatte nach dem damaligen Börsenkurs der Dresdner- Aktien einen Wert von etwa 30 Mrd. Euro. Tatsächlich brauchte die Allianz laut ihrem „Überblick über Kapitalerhöhungen der Allianz SE der Jahre 1980-2009“ nur etwa 6.596 Mrd. Euro echte Liquidität. Auch noch viel Geld. Aber viel weniger als das, was als Wert angegeben wurde. Sah also zunächst aus wie ein Schnäppchen. Nun könnte man sich trotzdem mal schnell fragen, warum die Allianz das überhaupt machte..
Ziel 1: Mehr Versicherungen verkaufen
Die Antwort ist relativ einfach: Zu dieser Zeit kauften Allianz-Kunden nur etwa 2,5 Allianz-Produkte. Das sollte mehr werden. Die Allianz wollte also über die Bankkundschaft der Dresdner Bank mehr Versicherungen verkaufen.
Ziel 2: Geld zurück
Allerdings gab es gewisse Hürden: Wie man schon kurz nach dem Kauf der Dresdner Bank AG durch die Allianz lesen konnte, soll sich die Dresdner als Milliardengrab erwiesen haben. Also dürfte das Motto für die Allianz geheißen haben: Erst mal Kasse machen! So meldete am 4.4.2007 N-TV unter der Headline „Immobilienpaket-Verkauf - Dresdner Bank drängt Degi“:
Wenige Wochen nach dem Umbau der Geschäftsführung stellt die Dresdner-Bank-Fondstochter Degi ein Immobilienpaket im Wert von mehr als zwei Milliarden Euro aus dem Grundwert-Fonds zum Verkauf. (…) Der rund fünf Milliarden Euro schwere Publikumsfonds soll sich vor allem von kleineren, renditeschwachen Objekten trennen.
Die Degi – Deutsche Gesellschaft für Immobilienfonds – setzte diesen Plan mit rasender Geschwindigkeit um: Am 8.5.07 meldete unter anderem Welt online unter der Headline: „Allianz-Tochter verkauft 38 deutsche Objekte für 2,45 Milliarden EURO – Frankfurter Eurotower geht an Amerikaner“:
Degi poliert Grundwert-Fonds auf (…) Beim bisher größten Portfolioverkauf in der Geschichte der offenen Immobilienfonds schlägt die Allianz-Tochter mehr als die Hälfte der Fondsobjekte für 2,88 Mrd. Euro an Goldman Sachs und RFR los. Von den 38 verkauften Immobilien gehen 37 für 2,45 Mrd. Euro an die Whitehall Funds der Investmentbank Goldman Sachs. Die New Yorker RFR übernimmt für 430 Mio. Euro den Frankfurter Eurotower, den Sitz der Europäischen Zentralbank. Zum Schutz der investierten Anleger hat die Degi gestern die Ausgabe neuer Anteilsscheine eingestellt. Auch Sparpläne mit laufenden monatlichen Zahlungen werden ausgesetzt.
So hatte man also innerhalb von kurzer Zeit ca. 2,8 Mrd. Euro vereinnahmt – und verkaufte das als Vorteil für die Anleger – weil ja der Fonds dadurch viel effizienter werde.
Degi-Verkauf
Interessanterweise geschieht nur 5 Monate später etwas anderes: Welt online 22.12.07 unter der Headline „Allianz trennt sich überraschend von Fonds-Tochter“:
Der Allianz-Konzern trennt sich überraschend von seinem Immobilienfondsanbieter Deutsche Gesellschaft für Immobilienfonds (Degi). Degi geht für 110 Mio. Euro an den Vermögensverwalter Aberdeen Asset Management. (…). In den letzten Monaten hatte es vor allem mit dem Degi-Grundwertefonds erheblichen Ärger gegeben. Berater der Dresdner Bank hatten versucht, Kunden zum Verkauf der Fondsanteile zu drängen und andere Fonds zu kaufen. Offenbar ging es vor allem darum, Provisionen einzunehmen. Allein im Oktober und November verlor der Grundwertefonds rund 2,3 Milliarden Euro an Anlagekapital, das Volumen halbierte sich dadurch auf nur noch 2,4 Milliarden Euro. Aberdeen (…) setzt (…) vor allem auf die „starke Marktposition“ der Degi bei Privatkunden. Aktuell verwaltet die Gesellschaft Immobilienfonds mit einem Volumen von 6,4 Milliarden Euro und hat 130 Mitarbeiter. (…) Am Donnerstag hatte die Allianz zudem mitgeteilt, sie werde sich von gut einem Viertel ihrer Immobilien trennen. 190 Bürogebäude werden für 1,7 Milliarden Euro an die US-Immobilienfirma Whitehall verkauft, eine Tochter der US-Investmentbank Goldman Sachs.
Also nochmal im Klartext: Der Vertrieb der Dresdner, auf den die Allianz für ihre Versicherungsprodukte setzte, ließ den Grundwertfonds der Degi links liegen. Aberdeen glaubte an den guten Ruf der Degi und kaufte sie für „kleines Geld“. Die Allianz verkauft 190 Immobilien und erlöst weitere 1,7 Mrd Euro. Anders ausgedrückt: Die für Immobilienfonds wichtige anteilige Liquidität der Degi wurde durch den Verkauf von Objekten erhöht. Die Allianz verschafft sich selbst ebenfalls Liquidität. Ob und wie viele der verkauften 190 Objekte aus dem Bestand der Dresdner kamen, geht aus dem Bericht nicht hervor.
Dresdner Verkauf
Solchermaßen gestärkt und verschlankt, wird weiter Liquidität geschaffen: Acht Monate später, am 31.8.2008 meldet unter anderem der Spiegel unter der Headline: „Commerzbank kauft Dresdner Bank und streicht 9000 Stellen“:
Deutschland bekommt eine neue Großbank: Die Commerzbank schluckt die kriselnde Allianz-Tochter Dresdner Bank - die Aufsichtsräte haben den 9,8-Milliarden-Euro-Deal jetzt perfekt gemacht. Das Geschäft kostet 9000 Jobs, bedroht Hunderte Zweigstellen. Der Name der "Beraterbank" soll verschwinden.
Degi-Fonds in Schieflage
Nachdem die Allianz auf diese Weise fein raus war, musste sie sich auch an der Meldung nicht stören, die wieder ein Jahr später, am 17.11.09, zum Beispiel im Manager Magazin unter der Überschrift „Aberdeen Immobilien - Degi-Immobilienfonds eingefroren“ zu lesen war:
Die Fondsgesellschaft Aberdeen Immobilien hat ihre beiden offenen Immobilienfonds Degi International und Degi Europa wegen Liquiditätsproblemen komplett eingefroren. Allein von Juni bis September hatten Investoren 250 Millionen Euro abzogen, was die Liquidität des Fonds erheblich reduzierte.
Offenbar hatte sich Aberdeen bezüglich der Markentreue der Anleger – bzw bezüglich der Treue der ehemaligen Dresdner-Vertriebsleute getäuscht...
Degi-Fonds liquidiert zum Schutz der Anleger
Ein weiteres Jahr später, nämlich am 22. Oktober 2010, schrieb dann der Spiegel mit der Überschrift „ Degi Europa - Immobilienfonds-Auflösung schockiert Anleger“:
Schon seit zwei Jahren kamen die Anleger nicht mehr an ihr Geld, der offene Immobilienfonds Degi Europa war wegen der Turbulenzen am Immobilienmarkt eingefroren worden. Laut Gesetz ist dies maximal zwei Jahre möglich. Doch eine erneute Öffnung des 1,3 Milliarden Euro schweren Fonds war nicht möglich. Wie die Fondsverwaltung Aberdeen mitteilte, folgt nun die Auflösung.
Am selben Tag veröffentlicht Aberdeen eine Pressemeldung:
Degi Europa bereitet halbjährliche Rückzahlungen an Anleger vor - Auflösung des Fonds als einzige Möglichkeit, Gleichbehandlung aller Anleger zu garantieren
Der offene Immobilienfonds Degi Europa wird, anders als bisher angestrebt, nicht bis 30. Oktober wieder geöffnet, sondern aufgelöst. Nach eingehender Prüfung kann nicht garantiert werden, dass die Liquidität von über 30 Prozent für die Bedienung der Rückgabewünsche ausreicht. Das ist unter anderem auf das angespannte Marktumfeld zurückzuführen (…) Es musste davon ausgegangen werden, dass (…) Börseninvestoren bei Öffnung des Fonds ihre Anteile zur Rückgabe vorlegen würden. (…) Dr. Hartmut Leser, Vorstandsvorsitzender der Aberdeen Asset Management Deutschland AG, kommentiert die Entscheidung: „Anlegerschutz hat für uns höchste Priorität. Aufgrund aktueller Berechnungen können wir mit der jetzigen Liquiditätsquote von über 30 Prozent nicht gewährleisten, dass alle rückgabewilligen Anleger bei Wiedereröffnung des Degi Europa ihre Anteile zurückgeben können. Aberdeen hat sich für das Modell der halbjährlichen Rückzahlungen entschieden, um die Gleichbehandlung aller Anlegergruppen zu garantieren.“
Allianz-Ziel erreicht
Allianz kauft Dresdner wegen Versicherungsvertrieb, Allianz verkauft Degi, Allianz verkauft Dresdner an Commerzbank, Degi Fonds macht Grätsche.
Man könnte sich fragen, ob denn der Degi-Fonds auch die Grätsche gemacht hatte, wenn die Allianz dies alles nicht gemacht hätte. Schwer zu sagen. Deshalb macht es wohl wenig Sinn, die Frage zu stellen. Aber eines kann man schon noch feststellen:
Am 30.3.10 schreibt die FTD, dass die Allianz ihr ursprüngliches Ziel nicht nur erreicht, sondern mehr als erreicht hat:
„Ab September ist Europas größter Versicherer auch bei der Commerzbank vertreten und löst dort die Generali als Versicherungspartner ab.“
Nun kann die Allianz ihre Versicherungen nicht mehr nur über die Dresdner sondern auch gleich über die Commerzbank verkaufen. Das ursprüngliche Ziel wurde also quasi über Bande erreicht. Na, hat sich doch gelohnt! Da kann man ihr nur wünschen, dass das jetzt funktioniert ....
Allianz macht Kasse
Irgendwie ist es schon absurd: Die Allianz versucht sich am großen Allfinanzdeal, um ihren Anlegern zu gefallen. Am Ende steht sie schlechter da als vorher. Denn 2001 stand der Kurs noch bei 399 Euro. Jetzt sind es noch 89 Euro. Ob sich das gelohnt hat?
In der Zwischenzeit verkauft die Allianz allem Immobilien und Tochterunternehmen, was das Zeug hält. Hier eine Auswahl:
- Cash Online: Allianz verkauft Schweizer Töchter an Helvetia (…) (228 Millionen Euro).
- Wirtschaftsblatt 17.6.10: Allianz verkauft ungarische Bank-Tochter
o N-TV 8.9.10: „Einzeln oder in Paketen - Allianz verkauft Immobilien - Die Allianz will ein großes Immobilienpaket loswerden. Rund 100 Objekte, vorwiegend Bürogebäude in Deutschland, würden für etwa eine Milliarde Euro angeboten (…).
o Manager Magazin, 14.09.2010: Allianz verkauft Hedgefonds-Sparte
Fazit
Das war also der Hintergrund für die Liquidierung des Degi Europa. Heißt das jetzt, dass man Immobilienfonds nicht trauen kann? Eigentlich nicht. Sie gehören eigentlich zu den wenigen Anlageformen, bei denen – wie wir schon im Mai schrieben – ein Totalverlust ausgeschlossen ist. Eine Immobilie kann ja kaum verschwinden wie die Milliarden, die verbrannt wurden. Allerdings zeigt sich schon: Es kommt halt drauf an, wo man sein Geld hintut.
Der Einfachheit zitieren wir uns hier mal einfach selbst aus unserem Artikel „Sachwert schlägt Geldwert. Oder: Die Wiederherstellung des Unterschieds“ vom Mai diesen Jahres:
Das Risiko des Totalverlusts gibt es bei Immobilien ja praktisch nicht. Dennoch reagiert der Finanzmarkt auf (…) vergleichsweise kurzfristige Messungsschwankungen wie immer radikal. Geht die Bewertung runter, gibt das große, bewegliche Geld die Anteile im großen Stil an die Fondsanbieter zurück. Die kleinen Anleger kriegen womöglich Angst und wollen ihre Anteile auch zurückgeben. Weil durch solche Panikverkäufe aber die Liquidität der Anbieter bedroht ist, kam es in den letzten Jahren mehrfach zu der Situation, dass der Handel einzelner Offener Immobilienfonds ausgesetzt wurde. Notbremse!
Noch ein kurzer Schluss: Börsennotierte Allfinanz-Institute haben offenbar immer wieder Interessenkonflikte. Geht es um den Kunden, ums eigene Kerngeschäft oder um die Aktionäre?
Das Beste, was man tun kann, ist wohl einfach, sie so gut es geht zu meiden. Zum Glück gibt’s Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Die machen zwar auch mal Fehler. Aber sie wissen wenigstens, wo sie hingehören....
Ja, wenn Ihr das interessant findet, könnt Ihr
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Wenn Ihr das macht, dann freuen wir uns. Weil das allen helfen würde. Und ganz ehrlich: uns auch!
Kommentare
erwäge ich Strafnzeige wegen arglistiger Täuschung (Vermittler/Geschäftsbericht e) und Anlagebetrug (Untergraben des Vertrauens in den Fonds Degi Europa) Was halten sie davon?
Danke für Ihren aufklärenden Artikel. Die Allianz-Rechtsschutzver sicherung hat mir garede mitgeiteilt, das diese Art von Prozessen in ihren Bedingugen ausgeommen sind.
Ihr Burkhard Breslauer
danke für Ihren Kommentar! zu Ihrer Frage: Natürlich wäre es interessant zu sehen, welches Ergebnis eine Klage wohl zeitigen würde. Allerdings stünde hier zu befürchten, dass - wie man in süddeutschla nd sagt - "die Brühe teurer kommen könnte als die Brocken". Wenn überhaupt wäre das wohl über eine Art Sammelklage möglich.
Ich lasse jetzt die Staatsanwaltsch aft prüfen, ob die Straftatbe- stände der aglistigen Täuschung, der Veruntreuung, Anlagegebetrug und Insolvenzversch leppung erfüllt sind.
Vielen Dank aber für eure Kommentare!!
Commerzbank bestätigt mündelsicher heit unter Angabe von AG Urteilsreferenz en. Die Ag's bestätigten das hingegen nicht!!
Der Aberdeenfonds bestätigt grundsätzliche Mündelicherh eit noch während der Schließungsphas e!! Lt. BGB § 1807 ges. grundsätzlich nicht mündelsicher !!!!
Die KPMG verweigert die Stellungnahme zur Erhöung des Ratings 2009 von B- auf BB+ im Geschäftsbericht 2009, (der Fonds war bereits illiquid, notleidend) und des Testats der Mündelsicher heit.
Vorgang liegt jetzt beim Ombudsmann der privaten Banken in Berlin.